Ligatur? Kleben? TIPS? – Management von Ösophagus- und Fundusvarizen
Autorin:
Ass. Dr. Nina Loschko
Klinik für Interne 2
Kepler Universitätsklinikum
Linz
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Die akute Varizenblutung stellt weiterhin eine bedeutende Komplikation der portalen Hypertension mit hohen Mortalitätsraten dar. Selbst Patienten, die den aktuellen „standard of care“ erhalten, weisen eine 6-Wochen-Mortalität von 15–20% auf. Im Folgenden soll ein Überblick über die portale Hypertension im Allgemeinen, das Management von Varizen in der Primär- und Sekundärprophylaxe sowie über das Vorgehen bei akuter Varizenblutung gegeben werden.
Keypoints
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Einteilung der Varizen nach Lokalisation durch Sarin-Klassifikation, Größe (Cut-off 5mm), Vorhandensein von „red-spot-signs“ sowie Dokumentation
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Primärprophylaxe: NSBB (bei großen Varizen Ligatur, falls Intoleranz oder Nichtwirksamkeit)
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NSBB in Kombination mit Gummibandligatur oder präemptiver TIPS nach akuter Varizenblutung in Abhängigkeit von der Risikoeinschätzung anhand des Child-Pugh-Scores, Blutungsaktivität bei Gastroskopie sowie HVPG
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Akute Varizenblutung: Intubation, vasoaktive Therapie und antibiotische Abschirmung nicht vergessen.
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Gummibandligatur bei GOV1, Kleben bei GOV2 & IGV1, SX-ELLA-Danis-Stent als Rescuetherapie, danach an intensivmedizinische Betreuung, HE-Therapie und TIPS Evaluierung denken
Fallbericht
Ein 68-jähriger Mann stellte sich wegen wiederholter Stürze, bei denen er zeitweise das Bewusstsein verloren hat, an der Unfallambulanz vor. Beim Eintreffen in der Klinik wurde frisches Blut auf seiner Kleidung entdeckt. Aufgrund seines niedrigen Blutdrucks und seiner Vorgeschichte einer nutritiv-toxischen Leberzirrhose wurde er bei Verdacht auf Varizenblutung auf die Überwachungsstation verlegt. Dort erhielt er eine antibiotische Abschirmung und eine vasoaktive Therapie, bevor eine Gastroskopie in Intubationsnarkose durchgeführt wurde.
Abb. 1: Riesiges, nicht aktiv blutendes Fundusvarizenkonglomerat
Hier zeigte sich in Inversion ein initial von einem Koagel bedecktes, großes, nicht aktiv blutendes Fundusvarizenkonglomerat (Abb. 1). Dieses wurde mit der Injektion von 5 Portionen Gewebekleber (2-Octyl-Cyanoacrylat) behandelt. Aufgrund der Größe der Varizen war eine komplette endoskopische Versorgung aber technisch kaum möglich, sodass ein transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Shunt (TIPS) und eine interventionelle Embolisation der Varize empfohlen wurden. In der CT-Splenoportografie imponierte die Varize allerdings bereits ab dem Abgang von der Vena lienalis komplett durch den Gewebekleber verschlossen, sodass auf eine Embolisation verzichtet werden konnte.
Portale Hypertension im Allgemeinen
Die Hauptursache für eine portale Hypertension ist in der Regel eine fortgeschrittene Lebererkrankung. Der erhöhte Druck in der Pfortader kommt durch einen erhöhten intrahepatischen Gefäßwiderstand sowie durch eine splanchnische und systemische arterielle Vasodilatation zustande, die in einem hyperdynamen Kreislaufzustand resultieren.
Der Goldstandard zur Quantifizierung der portalen Hypertension ist die invasive Lebervenendruckgradienten(HVPG)-Messung, welche allerdings nicht flächendeckend zur Verfügung steht. Ab einem Wert von ≥10mmHg spricht man von einer klinisch signifikanten portalen Hypertension. Zu deren Identifizierung steht uns als nichtinvasives Werkzeug die transiente Elastografie in Kombination mit der Plättchenanzahl im Blut zur Verfügung. Bei einem Elastizitätswert ≥25kPa kann mit einer Sensitivität und einem positiv prädiktiven Wert von >90% von dem Vorliegen einer klinisch signifikanten portalen Hypertension ausgegangen werden. Bei Werten ≤15kPa und Plättchenanzahl≥150G/l ist diese auszuschließen. Bei allen dazwischenliegenden Werten ist eine weiterführende nichtinvasive Einschätzung mittels VITRO-Score oder Milzelastizitätsmessung (falls verfügbar) möglich. Bei inkonklusiven Ergebnissen ist eine Gastroskopie und/oder HVPG-Messung sinnvoll.
Einteilung von Varizen
Varizen stellen die endoskopische Spitze des Eisbergs der portalen Hypertension dar. Zur Risikostratifizierung sollen sie hinsichtlich Lokalisation nach Sarin-Klassifikation (Abb. 2), Größe (klein vs. groß, Cut-off 5mm) sowie Vorhandensein von „redspot signs“ als Zeichen eines erhöhten Blutungsrisikos eingeteilt und im Untersuchungsbefund beschrieben werden. Die höchste Blutungsgefahr besteht bei isolierten Fundusvarizen (IGV1), gefolgt von Ösophagusvarizen ausgehend von der großen Kurvatur (GOV2) und Ösophagusvarizen ausgehend von der kleinen Kurvatur (GOV1).
Abb. 2: Sarin-Klassifikation von Ösophagus- und Fundusvarizen(modifiziert nach Sarin SK et al. 1992)
Portalhypertensive Gastropathie
Eine weitere endoskopische Manifestation der portalen Hypertension stellt die portal hypertensive Gastropathie dar. Die Schleimhaut in Corpus und Fundus ist typischerweise pflastersteinrelief- oder mosaikartig verändert. Je nach Schweregrad kann es zu intramukosalen Blutungen kommen.
Bei akuter aktiver Blutung kann eine Argonplasmakoagulation oder das Einbringen von Hämospray angedacht werden. Im chronischen Setting empfiehlt sich die Einleitung einer nicht selektiven Betablockade sowie Eisensubstitution bei Bedarf. Auch ein „Gastric antral vascular ectasia“(GAVE)-Syndrom kann bei fortgeschrittener Lebererkrankung häufiger beobachtet werden. Therapien der portalen Hypertension scheinen allerdings nicht wirksam. Argonplasmakoagulation oder Banding bei nodulärer Konfiguration stellen die Therapie der Wahl dar.
Primärprophylaxe
In der Primärprophylaxe sollte bei klinisch signifikanter portaler Hypertension eine Therapie mit einem nichtselektiven Betablocker (NSBB) zur Verhinderung einer ersten hepatischen Dekompensation (meist Aszites) eingeleitet werden. Mittel der Wahl ist Carvedilol in einer Zieldosis von 12,5mg/Tag aufgeteilt auf 1 bis 2 Einnahmen. Nur bei Unverträglichkeit oder Nichtwirksamkeit soll bei kompensierten Patienten mit großen Varizen eine Gummibandligatur durchgeführt werden. Eine endoskopische Überwachung ist nach Einleitung einer NSBB-Therapie nicht notwendig. Bei fehlendem Hinweis auf eine klinisch signifikante portale Hypertension besteht keine Indikation für eine NSBB-Therapie.
Akute Varizenblutung
Bei Verdacht auf Varizenblutung ist vor allem auch das richtige Management vor der Gastroskopie entscheidend. Bei hepatischer Enzephalopathie und/oder massivem Erbrechen ist eine Intubation zur Vermeidung einer Aspiration obligat. Auf eine antibiotische Abschirmung, zum Beispiel mit Ceftriaxon 2g/Tag intravenös, ab Aufnahme ist zu achten. Zur besseren Sicht kann in Abwesenheit einer vorbestehenden signifikanten QT-Verlängerung Erythromycin 250mg intravenös 30 bis 120 Minuten vor Gastroskopie verabreicht werden. Zur medikamentösen Blutstillung soll eine vasoaktive Therapie mit Somatostatin (Perfusor mit 4,2ml/h bei 6mg/50ml) oder Terlipressin (1–2mg alle 4–6 Stunden oder als Perfusor mit 1,7[–5]ml/h bei 4mg/40ml)eingeleitet werden.
Bluttransfusionen sollten nur restriktiv mit einem Ziel-Hämoglobinwert zwischen 7 und 8g/dl, bzw. bei kardiovaskulär Vorerkrankten um 9g/dl, verabreicht werden. Eine Gerinnungsoptimierung wird generell nicht empfohlen.
Die Gastroskopie soll innerhalb von 12 Stunden oder bei hämodynamischer Instabilität,sobaldsie sicher möglich ist, durchgeführt werden. In Abhängigkeit von der Lokalisation der vermuteten Blutungsquelle kann bei GOV1 eine Gummibandligatur von distal beginnend bzw. bei GOV2 und IGV1 eine Sklerosierung mit Gewebekleber erfolgen. Bei unstillbarer Blutung steht der SX-ELLA-Danis-Stent zur Verfügung. Es handelt sich dabei um einen vollbeschichteten selbstexpandierenden Metallstent, welcher 2 bis 7 Tage in situ verbleiben darf und Ballontamponaden (Sengstaken-Blakemore, Linton-Nachlas) aufgrund eines geringeren Risikos für Ösophagusnekrose und -perforation vorgezogen werden soll. Dieser kann nach Einbringen eines Rescue-TIPS wieder mit einem speziellen Extraktor entfernt werden.
Unmittelbar nach der Endoskopie soll eine intensivmedizinische Überwachung gewährleistet sein. Es empfehlen sich die rasche Extubation zur raschen Entfernung des Bluts aus dem Gastrointestinaltrakt, die Fortsetzung der vasoaktiven Therapie für 2 bis 5 Tage sowie ein frühzeitiger Beginn mit antienzephalopathischen Maßnahmen, vorzugsweise Laktulose. Zum Ausschluss einer Pfortaderthrombose oder eines hepatozellulären Karzinoms empfiehlt sich im Verlauf die Durchführung einer kontrastmittelunterstützten abdominellen Bildgebung.
Sekundärprophylaxe
Als Sekundärprophylaxe wird bei niedrigem Risiko für eine erneute Blutung (Child-Pugh A5–B7) eine nichtselektive Betablockade eingeleitet und ein Ausligieren der Restvarizen alle 2–4 Wochen bis zur vollständigen Eradikation veranlasst.
TIPS nach akuter Varizenblutung
Eine Hochrisikosituation liegt bei Child-Pugh B8–9 und aktiver Blutung bei der Endoskopie trotz vasoaktiver Therapie, Child-Pugh C10–13, Reblutung innerhalb von 5 Tagen, HVPG>20mmHg zum Zeitpunkt der Blutung oder Versagen der Sekundärprophylaxe vor. Diese Szenarien stellen eine Indikation zur präemptiven TIPS-Implantation innerhalb von 72 Stunden dar. Potenziell aussichtslos ist die Situation bei Child-Pugh C14–15, MELD>30 Punkte, einer ausgeprägten Laktatazidose oder anderenKontraindikationen wie einer bekannten Rechtsherzinsuffizienz. Eine hepatische Enzephalopathie in Zusammenhang mit einer akuten Blutung stellt keine Kontraindikation für eine TIPS-Implantation dar.
Literatur:
● Angermayr B, Peck-Radosavljevic M: Portale Hypertension. Wien Klin Wochenschr2013; 8(1): 1-13 ● de Franchis R et al.: Baveno VII – renewing consensus in portal hypertension. J Hepatol 2022; 76(4): 959-74. Erratum in: J Hepatol 2022; PMID: 35120736 ● Mandorfer M et al.: Austrian consensus on the diagnosis and management of portal hypertension in advanced chronic liver disease (Billroth IV). Wien Klin Wochenschr 2023; 135(3): 493-523 ● Reverter E at al.: A MELD-based model to determine risk of mortality among patients with acute variceal bleeding. Gastroenterol 2014; 146(2): 412-9.e3 ● Sarin SK et al.: Prevalence, classification and natural history of gastric varices: a long-term follow-up study in 568 portal hypertension patients. Hepatology 1992; 16(6): 1343-9
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