Einige Highlights der UEG Week 2024
Bericht:
Mag. Andrea Fallent
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Vom 12. bis 15. Oktober fand der größte Kongress der europäischen Gastroenterologen in Österreich statt. Mehr als 11100 Teilnehmer aus über 120 Ländern fanden sich im Messe Wien Exhibition & Congress Center ein, um sich über die Neuigkeiten aus Forschung und Praxis auf der United European Gastroenterology Week (UEGW) zu informieren – insgesamt waren 12000 Teilnehmer in Wien und online dabei.
Mit diesem Resümee festigte die UEG Week ihren Ruf als führendes Forum zum Austausch aktueller Forschungsergebnisse und klinischer Erfahrungen auf dem Gebiet der Gastroenterologie und Hepatologie. Zudem stellte das Postgraduate Teaching Programme (PGT) mit mehr als 4700 Anmeldungen einen neuen Teilnehmerrekord auf. Zu den zahlreichen bahnbrechenden wissenschaftlichen Erkenntnissen,die auf der UEGW präsentiert wurden, zählen neue Daten zum Einfluss des Mikrobioms bei Dickdarmkrebs, innovative Möglichkeiten der Diabetesbehandlung sowie moderne Strategien gegen Adipositas.
Forderung der qualitätsgesicherten Darmkrebsvorsorge in Österreich
Österreichische Experten nützten die Möglichkeit des internationalen Kongresses, um ihre Forderung nach Einführung eines qualitätsgesicherten Darmkrebs-Screening-Programms in Österreich ab dem 45. Lebensjahr zu unterstreichen. Vertreter aus Gesundheitswesen, Gesundheitspolitik und Patientenorganisationen trafen sich zum Austausch von Best Practices, um die Umsetzung eines flächendeckenden Darmkrebsvorsorgeprogramms in Österreich in naher Zukunft voranzutreiben.
Der Hintergrund: Die Darmkrebsstatistiken in Österreich sind besorgniserregend.Im Jahr 2019 waren mehr als 20000 Frauen und über 23000 Männer von Darmkrebs betroffen, davon waren rund 5000 Neuerkrankungen, mehr als 2500 Menschen starben an der Krankheit. Die Hauptursachen für Darmkrebs sind lebensstilbedingte Risikofaktoren, wie ballaststoffarme, fett- und salzreiche Ernährung, hoher Alkohol- und Tabakkonsum, Übergewicht und Bewegungsmangel. Die wirksamste Präventionsmaßnahme ist nach wie vor die Koloskopie, mit der Darmkrebs häufig verhindert oder zumindest frühzeitig diagnostiziert werden kann.
Wie es gehen kann, zeigt das Beispiel Deutschland, das seit mehr als 20 Jahren eine flächendeckende Darmkrebsvorsorge als Kassenleistung anbietet. Eine frühzeitige Erkennung verbessert die Überlebenschancen erheblich, verringert den Leidensdruck der Patienten und spart Kosten für das Gesundheitssystem. Prim. Univ.-Prof. Dr. Harald Hofer, Wels, unterstrich die Forderung als Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie (ÖGGH): „Die wissenschaftliche Beweislage ist eindeutig. Werden Polypen, die potenzielle Vorstufen von Darmkrebs sind, bei einer Koloskopie entdeckt und entfernt, können kolorektale Karzinome verhindert werden. Dies ist ein großer Vorteil gegenüber anderen Krebsarten. Als medizinische Fachgesellschaft fordern wir dringend die flächendeckende Einführung eines Screening-Programms für alle Menschen zwischen 45 und 75 Jahren, da dies viele Leben retten kann.“
Gestörte Darmmikrobiota bei Darmkrebs
In Europa ist Darmkrebs die zweithäufigste Krebsart und somit auch die zweithäufigste krebsbedingte Todesursache. Es wird prognostiziert, dass die Inzidenz in den nächsten zehn Jahren aufgrund von alternder Bevölkerung, ungesunder Ernährung, Bewegungsmangel und Fettleibigkeit deutlich ansteigen wird.
Von neuen Erkenntnissen zu den Auswirkungen von chronischem Stress auf das gesunde Gleichgewicht der Darmmikrobiota erhoffen sich Forschende neue Wege zur Prävention und Therapie von kolorektalen Karzinomen. Durch die Beseitigung bestimmter Darmbakterien und die Induktion von Stress in einem Mausmodell untersuchten chinesische Wissenschaftler den beschriebenen Zusammenhang.1 „In unserer Studie verwendeten wir einen Antibiotika-Cocktail mit Vancomycin, Ampicillin, Neomycin und Metronidazol, um Darmmikroben zu eliminieren, gefolgt von einer fäkalen Mikrobiomtransplantation“, erklärte die Forscherin Dr. Qing Li, Chengdu. Ziel war es, zu untersuchen, ob die Darmmikrobiota eine entscheidende Rolle dabei spielt, dass chronischer Stress die Progression von Kolorektalkarzinomen beschleunigt. Die Ergebnisse zeigten, dass chronischer Stress nicht nur das Tumorwachstum steigerte, sondern auch nützliche Darmbakterien reduzierte, insbesondere die Gattung Lactobacillus. Lie: „Durch die Analyse des Stuhls fanden wir zudem heraus, dass Lactobacillus plantarum spezifisch den Gallensäurestoffwechsel reguliert und die Funktion von CD8+-T-Zellen verbessert. Dadurch ergeben sich Hinweise darauf, wie Lactobacillus die Anti-Tumor-Immunität verstärken kann.“
Diese Studie unterstreicht die komplexe Beziehung zwischen Stress, Darmmikrobiota und Darmkrebs und deutet darauf hin, dass Strategien zur Wiederherstellung der Darmgesundheit eine entscheidende Rolle bei der Krebsbehandlung spielen können, insbesondere bei Patienten, die unter chronischem Stress leiden.
Typ-2-Diabetes: neuartiges Verfahren reduziert Insulinbedarf
Weltweit sind 422 Millionen Menschen von Typ-2-Diabetes (T2D) betroffen, wobei Adipositas als wesentlicher Risikofaktor anerkannt ist. Da eine Insulintherapie Nebenwirkungen wie u.a. Gewichtszunahme hervorrufen und die Diabetesbehandlung weiter erschweren kann, besteht ein Bedarf an alternativen Behandlungsoptionen. Auf der UEGW 2024 wurden Forschungsergebnisse zu einer vielversprechenden neuen Behandlungsstrategie für T2D vorgestellt, die die Notwendigkeit einer Insulintherapie erheblich reduzieren oder sogar ganz eliminieren könnte. Das neuartige Verfahren ReCET („re-cellularization via electroporation therapy“), das mit einer Semaglutid-Therapie kombiniert wird, führte bei 86% der Patienten zu einem Absetzen der Insulintherapie.2 ReCET ist ein neuartiges endoskopisches Verfahren, das mittels Elektroporation die Erneuerung der Schleimhaut des Duodenums induziert. Diese Technologie nutzt gepulste elektrische Felder, um den natürlichen Zelltod über einen Apoptose-ähnlichen Prozess ohne Wärme zu erzeugen, wodurch das Risiko für eine thermische Schädigung tieferer Schichten des Zwölffingerdarms vermieden wird.
Die erste klinische Studie umfasste 14 Patienten mit T2D im Alter von 28 bis 75 Jahren mit einem Body-Mass-Index zwischen 24 und 40. Sie unterzogen sich unter Sedierung dem ReCET-Verfahren, das die Sensitivität gegenüber dem körpereigenen Insulin verbessern kann. Nach dem Eingriff hielten die Teilnehmer eine zweiwöchige isokalorische Flüssigdiät ein, nach der Semaglutid schrittweise auf 1mg/Woche hochtitriert wurde.2 Bemerkenswerterweise benötigten 12 von 14 Probanden (86%) bei der 6- und 12-monatigen Nachuntersuchung keine Insulintherapie mehr, und dieser Erfolg hielt auch bei der Nachuntersuchung nach 24 Monaten an. In diesen Fällen konnten alle Patienten ihren Blutzuckerspiegel unter Kontrolle halten, wobei der HbA1c-Wert unter 7,5% blieb. Die maximale Dosis von Semaglutid wurde von 93% der Teilnehmer gut vertragen, bei einer Person konnte aufgrund von Übelkeit nicht auf die maximale Dosis gesteigert werden. Es wurden keine ernsthaften unerwünschten Wirkungen gemeldet. Dr. Celine Busch, Amsterdam, Hauptautorin der Studie, kommentierte: „Diese Ergebnisse sind sehr ermutigend und deuten darauf hin, dass ReCET ein sicheres und praktikables Verfahren ist, das in Kombination mit Semaglutid die Notwendigkeit einer Insulintherapie effektiv beseitigen kann.“ Derzeit läuft die weiterführende EMINENT-2-Studie.
Nanopartikel gegen Fettabsorption
Trotz umfangreicher Forschungen zum Fettstoffwechsel konnten bislang keine wirksamen Hemmstoffe der Aufnahme von Fettsäuren im Darm gefunden werden. Während sich die meisten Strategien auf die Verringerung der Fettaufnahme mit der Nahrung konzentrieren, zielt ein neuer Ansatz direkt auf den Fettabsorptionsprozess im Körper ab.
Die Studie konzentriert sich auf das Enzym Sterol-O-Acyltransferase 2 (SOAT2), das eine entscheidende Rolle bei der Fettaufnahme im Dünndarm spielt.Ein chinesisches Forscherteam entwickelte ein innovatives Verabreichungssystem mit Nanopartikeln – eine winzige Kapsel aus einem Polymerkern, der von einer Schutzhülle umgeben ist. Das System wurde so konzipiert, dass es interferierende RNA (siRNAs) effizient in den Dünndarm transportiert, wo sie die SOAT2-Expression reduzieren und so die Fettaufnahme hemmen können. In Mausmodellen nahmen die mit den Nanopartikeln behandelten Tiere weniger Fett auf und entwickelten trotz fettreicher Ernährung keine Adipositas.3 „Diese orale Behandlung ist nichtinvasiv, hat eine geringe Toxizität und ein hohes Potenzial für eine bessere Compliance im Vergleich zu aktuellen Adipositasbehandlungen, die oft invasiv oder schwer einzuhalten sind. Das macht es zu einer vielversprechenden Alternative“, erklärte Dr. Wentao Shao, Shanghai. Die Studie analysierte auch den zugrunde liegenden Mechanismus, durch den SOAT2 die Fettaufnahme reguliert. Die Hemmung von SOAT2 im Dünndarm löst den Abbau von CD36 aus, einem Protein, das für den Transport von Fett verantwortlich ist. Studienleiter Prof. Dr. Zhaoyan Jiang, Shanghai: „Einer der aufregendsten Aspekte dieser Therapie ist ihre Fähigkeit, die Fettaufnahme im Darm zu steuern, ohne die Leber zu beeinträchtigen. Dies ist wichtig, da frühere Studien gezeigt haben, dass die Blockierung von SOAT2 in der Leber zu Fettansammlungen führen kann – ein Risiko, das unsere Behandlung vermeidet, indem sie sich nur auf intestinale SOAT2 konzentriert.“ Das Forschungsteam plant, das Nanopartikelsystem in größeren Tiermodellen zu testen, um seine Wirksamkeit und Sicherheit für einen möglichen Einsatz beim Menschen zu bestätigen.
Ein UEG-Fahrplan für die Übergangsversorgung
Mehr als 332 Millionen Menschen in Europa leben mit Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts, von denen viele bereits in jungen Jahren beginnen und lebenslang behandelt werden müssen. Eine beträchtliche Anzahl der Betroffenen geht daher irgendwann in ihrem Leben von der pädiatrischen zur Erwachsenenversorgung über, was sowohl für die Patienten als auch für ihre Betreuer eine Herausforderung darstellen kann. Ein neuer UEG-Bericht mit dem Titel „Enhancing Transitional Care in Digestive Health“ beleuchtet diese Herausforderungen in der Übergangsversorgung und bietet einen umfassenden Fahrplan zu deren Bewältigung.4 Der Bericht stützt sich auf das Fachwissen führender europäischer Spezialisten und macht deutlich, dass eine frühzeitige, strukturierte und koordinierte Übergangsversorgung erforderlich ist, um die Lebensqualität der Patienten zu sichern.
Quelle:
Pressemeldungen der UEGW 2024, Oktober 2024
Literatur:
1 Li Q, Yang J: Chronic stress accelerated colorectal cancer progression by disturbing the balance of gut microbiota. UEG Week 2024; OP029 2 Busch CBE et al.: Durable effects of duodenal ablation using electroporation combined with semaglutide to eliminate insulin therapy in patients with type-2 diabetes; the 24-month results. UEG Week 2024; OP049 3 Shao W et al.: siRNA/CS-PLGA nanoparticle system targeting knockdown intestinal SOAT2 reduced intestinal lipid uptake and alleviated obesity. doi: 10.1002/advs.202403442 4 UEG: Enhancing transitional care in digestive health. https://ueg.eu/files/3541/c5f5c23be1b71adb51ea9dc8e9d444a8.pdf ; zuletzt aufgerufen am 12.11.2024
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