ESC-Highlights zur kardialen Amyloidose
Autor:
Priv.-Doz. Dr. Christian Nitsche, PhD
Universitätsklinik für Innere Medizin II
Abteilung für Kardiologie
Medizinische Universität Wien
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Die Vereinfachung des Diagnosealgorithmus, die Stärkung der Achtsamkeit für die Erkrankung sowie der enorme Zuwachs an therapeutischen Optionen haben der kardialen Amyloidose einen medizinischen Aufschwung verschafft. Das Krankheitsbild wird zunehmend auf internationalen Kongressenthematisiert, wie auch auf dem diesjährigen Kongress der European Society of Cardiology (ESC).
Keypoints
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Vutrisiran führt bei ATTR-CM zu einer signifikanten Reduktion der primären Endpunkte Tod jeglicher Ursache und wiederkehrende kardiovaskuläre Ereignisse.
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Unter Patisiran erfuhren ATTR-CM-Patient:innen eine signifikante Reduktion der Mortalität und der Zahl der Hospitalisierungen aufgrund einer Herzinsuffizienz.
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Die Hochdosistherapie mit ALXN2220-Antikörpern war bei Vorliegen einer kardialen ATTR-Amyloiddepletion mit einem signifikanten Rückgang kardialer Surrogatparameter assoziiert.
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SGLT2-Hemmer sind bei Amyloidose oder Herzinsuffizienz mit einer niedrigeren Gesamtsterblichkeit und einem geringeren Risiko für Hospitalisationen vergesellschaftet.
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Eine aktuelle Arbeit bestätigt das von der ESC empfohlene Familienscreening auf hereditäre ATTR-CM.
HELIOS-B: Vutrisiran bei kardialer Transthyretin-Amyloidose
Als hervorstechendes Highlight am ESC-Kongress ist die Präsentation zur Effektivität von Vutrisiran, einem Small-interfering-RNA(siRNA)-Therapeutikum, beiPatient:innen mit Transthyretin-assoziierter Kardiomyopathie (ATTR-CM) zu nennen. Der primäre Endpunkt war eine Kombination aus Tod jeglicher Ursache und wiederkehrenden kardiovaskulären Ereignissen nach einem Follow-up von bis zu 36 Monaten.1 Insgesamt wurden 655 Patient:innen 1:1 auf Vutrisiran oder Placebo randomisiert.1Eine Hintergrundtherapie mit Tafamidis war erlaubt. Die Therapie mit Vutrisiran führte zu einer signifikanten Verbesserung des primären Endpunktes sowohl in der Gesamtpopulation als auch in der Monotherapiegruppe (ohne begleitende Tafamidis-Therapie).1
Sofern es eine Zulassung erhält, steht mit Vutrisiran nun eine zweite Substanz (mit alternativem Wirkmechanismus gegenüber Tafamidis) zur Behandlung von ATTR-CM-Patient:innen zur Verfügung.
Langzeiteffekte von Patisiran auf das Überleben und kardiale Marker
In den beiden APOLLO-Studien wurden Patient:innen mit ATTR-Amyloidose und hereditärer ATTR-assoziierter Polyneuropathie (APOLLO-Studie) bzw. ATTR-CM (APOLLO-B-Studie) auf die Therapie mit dem siRNA-Therapeutikum aus erster Generation Patisiran vs. Placebo randomisiert.2 Eine Arbeit präsentierte nun eine gepoolte Analyse dieser beiden Studien (inkl. „long-term extension period“) zur Effektivität von Patisiran bei Patient:innen mit suspizierter kardialer Beteiligung bzw. verifizierter ATTR-CM. Patient:innen unter Therapie mit Patisiran erfuhren im Vergleich zur Kontrollgruppe eine signifikante Reduktion der Mortalität und der Zahl der Hospitalisationen aufgrund von Herzinsuffizienz und eine Stabilisierung kardialerBiomarker (NT-proBNP und „global-longitudinal strain“).2 Diese Ergebnisse untermauern das therapeutische Konzept der si-RNA bei ATTR-CM.
Langzeitsicherheit und -effektivität des ALXN2220-Antikörpers bei kardialer ATTR-Amyloiddepletion
„Amyloid depleter“ haben als Ziel, die bereits abgelagerten Amyloid-Deposits im Myokard abzubauen. Die ersten positiven Ergebnisse zum monatlich intravenös verabreichten Antikörper ALXN2220 wurden im Jahr 2023 publiziert. Der aktuelle Bericht lieferte Ergebnisse der „Long-term-extension“-Phase, in welcher alle Patient:innen in die aktive Gruppe wechselten (auch jene, die sich zuvor im Placeboarm befunden hatten).3 Eine Hochdosistherapie (>10mg/kg Körpergewicht) war mit einem signifikanten Rückgang von Surrogatparametern für die kardiale Amyloidlast assoziiert.3 Dies inkludierte einen Rückgang des extrazellulären Volumens in der kardialen Magnetresonanztomografie von erstaunlichen 20% (=Absolutwert), der Intensität der Traceraufnahme in der Knochenszintigrafie und der klassischen kardialen Biomarker (NT-proBNP, TroponinT).3 Die Verabreichung erschien sicher. Es traten keine unerwünschten Ereignisse auf, die zu einem Therapiestopp führten.3 Knapp die Hälfte der Patient:innen berichtete über neu aufgetretene Arthralgien.3
Das Therapiekonzept der Entfernung von bereits myokardial abgelagertem Amyloid ist hochinteressant und könnte ein wahrer Meilenstein in der Therapie der ATTR-CM sein, sofern sich die präsentierten positiven Signale in der DepleTTR-CM-Studie in vorteilhaften Outcome-Ergebnissen niederschlagen.
SGLT2-Hemmer bei Patienten mit Amyloidose und Herzinsuffizienz
Der Effekt von klassischen Herzinsuffizienzmedikamenten bei Patienten mit kardialer Amyloidose ist unklar. In einer großen retrospektiven Kohortenstudie von 108 Gesundheitsorganisationen weltweit aus dem globalen Gesundheitsforschungskooperationsnetzwerk TriNetX wurden Patient:innen mit einer ICD-basiertenAmyloidose-Diagnose und einer Herzinsuffizienz analysiert.4 Die Kohorte umfasste 24619 Patient:innen ohne Behandlung mit SGLT2-Hemmern und 2988 Patient:innen unter Behandlung mit SGLT2-Hemmern.4 Nach „propensity score matching“ war die Therapie mit einem SGLT2-Hemmer mit einer niedrigeren Gesamtsterblichkeit und einem geringeren Risiko für Hospitalisationen vergesellschaftet.4
Obwohl es sich um eine retrospektive Datenerhebung aus einem unzureichend charakterisierten Kollektiv handelt, stellt diese Studie die zweite Arbeit mit womöglich positiven Effekten für SGLT2-Hemmer bei kardialer Amyloidose dar. Da die Therapieoptionen für diese Erkrankung noch immer limitiert sind, sollten die Ergebnisse zum Anlass genommen werden, eine gezielte randomisierte Studie durchzuführen.
ESC-Empfehlungen zum Familien-Screeningbei hereditärer ATTR-CM
Die ATTR-CM kann ohne zugrunde liegende Mutation auftreten (Wildtyp) oder auf einer pathologischen Genvariante basieren (hereditär). So publizierte die ESC-Arbeitsgruppe im Jahr 2021 einen Leitfaden, wie mit Angehörigen von Patient:innen mit hereditärer ATTR-CM umgegangen werden solle.5 Diese Empfehlungen wurden jedoch bis dato noch nicht im Rahmen von Studien untersucht. Die aktuelle Arbeit umfasste 159 asymptomatische Angehörige von Erkrankten. Primärer Endpunkt der Studie war es, die Krankheitspenetranz unter Angehörigen mit den empfohlenen hochsensitiven diagnostischen Tests zu überprüfen (Knochenszintigrafie oder myokardiale Biopsie).5 Als sekundärer Endpunkt diente das Auftreten von Herzinsuffizienzsymptomatik und/oder von Herzrhythmusstörungen mit der Notwendigkeit einer Schrittmacherimplantation.5 Zu Studienbeginn wurde bei 25% der Angehörigen eine ATTR-CM diagnostiziert.5 Im Laufe des Beobachtungszeitraumes von im Durchschnitt drei Jahren entwickelten weitere 13% eine ATTR-CM.5 Den sekundären Endpunkt erreichten 12% der Patienten im Beobachtungszeitraum.5
Das Screening gemäß der ESC-Positionserklärung aus dem Jahr 2021 bewährt sich daher in der täglichen klinischen Praxis. Kliniker sollten an der Wiederholung der Knochenszintigrafie nach drei Jahren festhalten, da ein Fortschreiten zu einer hereditären ATTR-CM ohne Anzeichen von ATTR-CM bei diagnostischen Erstlinientests (Labor, Elektrokardiogramm, Echokardiografie) oder Symptomen häufig ist.
Literatur:
1 Fontana M et al.: Vutrisiran in patients with transthyretin amyloidosis with cardiomyopathy. N Engl J Med 2024; doi: 10.1056/NEJMoa2409134 2 O Lairez VA et al.: Long-term effects of Patisiran on survival and cardiac parameters in patients with transthyretin-mediated cardiac amyloidosis: post hoc analysis of APOLLO-B and cardiac subpopulation of APOLLO OLE. präsentiert am ESC-Kongress am 1.9.2024 3 Van Der Meer P et al.: Long-term safety and efficacy of antibody ALXN2220 for depletion of cardiac amyloid transthyretin: results of treatment beyond 12 months in the open-label extension of study NI006-101. präsentiert am ESC-Kongress am 1.9.2024 4 Belo Nunes R et al.: SGLT2 inhibitors in patients with amyloidosis and heart failure: a worldwide retrospective cohort study. präsentiert am ESC-Kongress am 1.9.2024 5 Muller SA et al.: Evaluation of the 2021 ESC recommendations for family screening in hereditary transthyretin cardiac amyloidosis. Eur J Heart Fail 2024; 26(9): 2025-34
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