
Das ELIMINATE-Projekt
Autor:innen:
Dr. Michael Schwarz
Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie
Univ.-Klinik für Innere Medizin III
Medizinische Universität Wien
E-Mail: michael.a.schwarz@meduniwien.ac.at
Dr. Caroline Schwarz, PhD
Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie
Abteilung für Innere Medizin 4
Klinik Ottakring, Wien
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Zum Erreichen des WHO-Ziels, die Hepatitis C als Bedrohung für Gesundheitssysteme bis 2030 zu eliminieren, sind höhere Diagnose- und Therapieraten notwendig. Das ELIMINATE(„ELIMINation of hepatitis c in AusTria East“)-Projekt war ein mutlizentrisches Hepatitis-C-Makroeliminationsprojekt in Ostösterreich: Durch die systematische Auslesung von bereits vorhandenen Labordaten wurden Patient:innen unabhängig von ihrem Risikoprofil identifiziert und therapiert.1, 2
Keypoints
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„Direct acting antivirals“ (DAA) erlauben eine Heilung der chronischen Hepatitis C in bis zu 100%. Daher hat die WHO das Ziel ausgerufen, bis 2030 Hepatitis C als Bedrohung für Gesundheitssysteme weltweit zu eliminieren.
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Zur Erreichung des WHO-Ziels müssen Diagnose- und Therapieraten erhöht werden. Dafür sind neben Mikroeliminationsprojekten in Risikopopulationen auch Makroeliminationsstrategien notwendig.
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Für das ELIMINATE-Projekt wurden bereits vorhandene HCV-RNA-PCR-Daten aus Krankenhausdatenbanken ausgelesen, um potenziell noch viräme Patient:innen zu identifizieren.
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Hierdurch wurde bei fast 400 Menschen in Ostösterreich eineHepatitis-C-Therapie begonnen, wovon 82% nachweislich dauerhaft geheilt wurden.
Chronische Hepatitis C ist innerhalb weniger Wochen heilbar
Weltweit leben etwa 57 Millionen Menschen mit chronischer Hepatitis C und pro Jahr sterben etwa 300000 von ihnen an den Komplikationen dieser Viruserkrankung.3 Die chronische Hepatitis C führt innerhalb von 20 Jahren in 5–10% der Fälle zur Entwicklung einer Leberzirrhose, für betroffene Patient:innen besteht dann pro Jahr ein 2–3%iges Risiko für das Auftreten eines hepatozellulären Karzinoms oder einer hepatischen Dekompensation wie Aszites, Varizenblutung oder hepatische Enzephalopathie.3 Während die historischen Interferon-haltigen Therapieregime über Monatehinweg eingenommen werden mussten und nur mäßige Heilungsraten bei unvorteilhaftem Nebenwirkungsprofil erzielten, stehen seit der Einführung der „direct-acting antivirals“ (DAA) 2014 effektive Therapien zur Verfügung, die SVR-Raten von knapp 100% in allen Patient:innenkollektiven und unabhängig vom Genotyp ermöglichen (SVR=„sustained virological response“; Nachweis der erfolgreichen Viruseradikation nach Therapie).4 Dies führte zu einem Paradigmenwechsel: Die ehemals chronische Erkrankung mit mäßiger Heilungschance, die zur jährlichen Akkumulation von neuen Patient:innen, Morbidität und Mortalität führte, war nun schnell und dauerhaft heilbar. Daher rief die World Health Organisation (WHO) 2016 das Ziel aus, das HCV als Bedrohung für Gesundheitssysteme weltweit bis 2030 zu eliminieren, wodurch bis dahin etwa 15,1 Millionen HCV-Neuinfektionen und 1,5 Millionen HCV-bezogene Todesfälle verhindert werden könnten.5, 6 Um dies zu erreichen, wäre jedoch eine substanzielle Steigerung von Diagnose- und Therapieraten erforderlich.5
Patient:innen finden und heilen
Typische Risikopopulationen für Hepatitis C sind in westlichen Ländern Menschen mit intravenösem Substanzkonsum, Männer, die Sex mit Männern haben, sowie inhaftierte und wohnungslose Personen.7,8Grund hierfür ist der Übertragungsweg über Blut (z.B. durch kontaminierte Spritzen) oder penetrativen Geschlechtsverkehr (insbesondere Analverkehr). In den vergangenen Jahren konnten in diesen Risikopopulationen mehrere erfolgreiche Mikroeliminationsprogramme in Ostösterreich durchgeführt und zahlreiche Patient:innen identifiziert und therapiert werden.9–13 „Nachteil“ dieser Herangehensweise ist jedoch, dass nur anhand eines Risikofaktors nach möglichen Infizierten gesucht wird. Im Rahmen des ELIMINATE-Projekts wurde nun eine laborbasierte systematische Makroeliminationsinitiative gestartet, um auch Patient:innen unabhängig von ihrem Risikoprofil zu identifizieren (Abb.1).
Bereits vorhandene Daten nutzen, um Patient:innen zu identifizieren
Die Rationale hinter dem ELIMINATE-Projekt war, dass in Krankenhäusern regelmäßig Testungen auf Hepatitis C erfolgen, beispielsweise routinemäßig präoperativ oder bei klinischem Verdacht, aber nicht alle Diagnostizierten auch eine Therapie erhalten. Manche Patient:innen erfüllten vielleicht die anfangs strengen Auflagen zur DAA-Therapie nicht, andere hatten etwa schon eine erfolglose Interferontherapie hinter sich. In manchen Fällen wussten die Betroffenen möglicherweise nicht von ihrer Diagnose und/oder nahmen ihren Ambulanztermin nicht wahr, denn eine relevante Hürde in der österreichischen HCV-Elimination stellt auch die Bürokratie dar: Eine hochwirksame DAA-Therapie kann ausschließlich an HCV-Therapiezentren verschrieben werden – Patient:innen, die nach ihrer Entlassung den Weg in die Spezialambulanz nicht finden, werden auch keine entsprechende Therapie erhalten.
Für das ELIMINATE-Projekt wurden genau diese „vergessenen“ Patient:innen wieder aufgegriffen und bereits vorhandene HCV-PCR-Daten aus zehn Krankenhäusern in Wien und Niederösterreich systematisch ausgelesen. Zu den partizipierenden Zentren gehörten das Allgemeine Krankenhaus der Stadt Wien (Medizinische Universität Wien), die Wiener Kliniken Ottakring, Landstraße, Donaustadt, Floridsdorf und Favoriten, die Barmherzigen Schwestern Wien, das Universitätsklinikum Sankt Pölten sowie die Landeskliniken Wiener Neustadt und Mistelbach. Der Zeitrahmen der Auslesung war von 2008 bis 2020. Es wurden Patient:innen selektioniert, die zum chronologisch letzten Zeitpunkt noch immer ein positives Ergebnis hatten. Von 2020 bis 2023 wurden diese von ihrem jeweiligen Behandlungszentrum zu einer Kontrolle und ggf. Therapieeinleitung eingeladen.
Das ELIMINATE-Projekt in Zahlen
Insgesamt wurden 5695 Menschen mit „zuletzt positiver“ HCV-RNA PCR und somit potenziell weiter vorliegender chronischer Hepatitis C identifiziert (Abb. 2). Die Kohorte war überwiegend männlich (62,5%) und im Median 57,3 Jahre alt. Zum Zeitpunkt der Datenauslesung waren 1931 (33,9%) bereits verstorben. Dieser hohe Anteil unterstreicht die Schwere der Erkrankung bzw. die oft damit assoziierten Komorbiditäten: Todesursachen waren häufig leberbezogene Krankheiten (33,8%), aber auch psychiatrische Grunderkrankungen (14,5%).Für 759 Personen (13,3%) lagen keine Kontaktdaten vor.
Abb. 2: „Cascade of care“ des ELIMINATE-Projekts (modifiziert nach Balcar L, Schwarz M, Dorn L et al. 2024)1
Die verbleibenden 3005 Personen wurden per Telefon oder Brief kontaktiert und zu einer Kontrollvisite eingeladen. Insgesamt gaben 1171 (20,6%) Menschen an, bereits an einem anderen Zentrum eine Viruseradikation durchgeführt zu haben. Schlussendlich wurden 617 potenziell viräme Patient:innen erfolgreich kontaktiert, wovon 417 (67,6%) eine Visite an ihrem jeweiligen Behandlungszentrum wahrnahmen. Bei 397 (64,3%) wurde eine DAA-Therapie begonnen und bis Juni 2024 konnte bei 326 (82,1% von 397) eine SVR nachgewiesen werden. Im Vergleich zur Gesamtkohorte war die Kohorte der behandelten Patient:innen jünger (Median 50,4 Jahre) und überwiegend weiblich (62,2%). Intravenöser Substanzkonsum lag in 45,0%der Fälle vor, psychiatrische Komorbiditäten waren in 21,9% vorhanden.
Verglichen mit ähnlichen Studien konnten im Rahmen von ELIMINATE eine beachtliche Anzahl an Patient:innen mit chronischer Hepatitis C identifiziert und therapiert werden.14–17 In anderen Projekten erfolgte die Auslesung oftmals auf Basis von Anti-HCV-Antikörpern, welche nur den Kontakt mit HCV, aber nicht das Vorliegen einer chronischen Infektion anzeigen. Auch wenn die SVR-Rate von 82,1% aller therapierten Patient:innen bereits respektabel ist, ist zu bedenken, dass nicht alle Personen, die im Zuge von ELIMINATE eine antivirale Therapie erhielten, auch zur Abschlussvisite mit SVR-Verifikation erschienen sind. In Anbetracht der Tatsache, dass die DAA-Therapie eine Heilung in etwa 99% der Fälle ermöglicht und dass fast alle Patient:innen ihre Therapie vollständig eingenommen haben, ist von einer deutlich höheren tatsächlichen SVR-Rate auszugehen.
Blaupause für weitere Projekte
Andere Länder wie Spanien18 oder Ägypten19 haben einen nationalen Hepatitis-C-Eliminationsplan, welcher auch Screeninginitiativen in der Allgemeinbevölkerung inkludiert. In Österreich existiert trotz allgemein verfügbarer hochwirksamer Therapien so ein Plan bisher nicht. Das ELIMINATE-Projekt hat gezeigt, dass durch die systematische Auslesung von HCV-RNA-PCR-Daten Patient:innen effektiv und unabhängig von etwaigem Risikoverhalten identifiziert werden können. Diese Herangehensweise könnte gemäß dem WHO-Ziel der HCV-Elimination auch in anderen Regionen oder national genützt werden, um „vergessene“ viräme Patient:innen wieder zu identifizieren und ihnen eine Therapie zukommen zu lassen und so die verbleibenden Lücken in der österreichischen HCV-Elimination zu schließen. Ausschlaggebend für den Erfolg dieses Makroeliminationsprojekts waren die zentrenübergreifende Kollaboration und der Einsatz zahlreicher Ärzt:innen sowie Pflegepersonen in Wien und Niederösterreich– ohne siewärediese HCV-Initiative in dieser Form nicht möglich gewesen.
Literatur:
1 Balcar L, Schwarz M, Dorn L et al.: A systematic PCR record-based re-call of HCV-RNA-positive people enables re-linkage to care and HCV elimination in Austria - The ELIMINATE project. Liver Int 2024; 44(12): 3151-63 2 Schwarz C et al.: ELIMINATE: a PCR record-based macroelimination project for systematic recall of HCV-RNA-positive persons in Austria. Wien Klin Wochenschr 2024; 136(9-10): 278-88 3 Martinello M et al.: Hepatitis C. Lancet 2023; 402(10407): 1085-96 4 Falade-Nwulia O etal.: Oral direct-acting agent therapy for hepatitis C virus infection: a systematic review. Ann Intern Med 2017; 166(9): 637-48 5 WHO: Global health sector strategy on viral hepatitis 2016-2021. towards ending viral hepatitis. https://www.who.int/publications/i/item/WHO-HIV-2016.06 ; zuletzt aufgerufen am 16.12.20246 Heffernan A et al.: Scaling up prevention and treatment towards the elimination of hepatitis C: a global mathematical model. Lancet 2019; 393(10178): 1319-29 7 European Centre for Disease Prevention and Control: Hepatitis C. Annual Epidemiological Report for 2020. https://www.ecdc.europa.eu/sites/default/files/documents/AER-HEP-C-2020-final.pdf ; zuletzt aufgerufen am 16.12.2024 8 Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz: HIV/AIDS, Hepatitis B and C in Österreich. 2019. https://www.sozialministerium.at/dam/sozialministeriumat/Anlagen/Themen/Gesundheit/%C3%9Cbertragbare-Krankheiten/Krankheiten-A-Z/Hepatitis-C/HIV-AIDS,-Hepatitis-B-und-C-in-%C3%96sterreich.pdf ; zuletzt aufgerufen am 16.12.2024 9 Schwarz C et al.: CHIME - A tailored HCV microelimination project in Viennese people who inject drugs at drug centralized substitution centers. J Virus Erad 2023; 9(3): 100338 10 Schmidbauer C et al.: Directly observed therapy for HCV with glecaprevir/pibrentasvir alongside opioid substitution in people who inject drugs- first real world data from Austria. PLoS One 2020; 15(3): e0229239 11 Jachs M et al.: Outcomes of an HCV elimination program targeting the Viennese MSM population. Wien Klin Wochenschr 2021; 133(13-14): 635-40 12 Schwarz M et al.: “Let’s end hepatitis C in Vienna” - the first HCV elimination program targeting homeless and people without medical insurance in Vienna. Z Gastroenterol 2020; 58(05): 61 13 Schwarz M et al.: Combining treatment for chronic hepatitis C with opioid agonist therapy is an effective microelimination strategy for people who inject drugs with high risk of non-adherence to direct-acting antiviral therapy. J Virus Erad 2023; 9(1): 100319 14 Chen CJ et al.: Hepatitis C micro-elimination through the retrieval strategy of patients lost to follow-up. BMC gastroenterology 2023; 23(1): 40 15 Beekmans N, Klemt-Kropp M: Re-evaluation of chronic hepatitis B and hepatitis C patients lost to follow-up: results of the Northern Holland hepatitis retrieval project. Hepatology, Medicine and Policy 2018; 3(1) 16 Kracht PAM et al.: REtrieval And cure of Chronic Hepatitis C (REACH): Results of micro-elimination in the Utrecht province. Liver Int 2019; 39(3): 455-62 17 Ferraz MLG et al.: Retrieval of HCV patients lost to follow-up as a strategy for Hepatitis C Microelimination: results of a Brazilian multicentre study. BMC Infect Dis 2023; 23(1): 468 18 Lopes H et al.: Let’s end HepC: modelling public health epidemiological policies applied to hepatitis C in Spain. Front Public Health 2021; 9: 735572 19 Omran D et al.: Towards hepatitis C virus elimination: Egyptian experience, achievements and limitations. World J Gastroenterol 2018; 24(38): 4330-40
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