Neue Methoden zur Charakterisierung von Apnoen
Autor:
Matteo Cesari, PhD
Biomedical Engineer
Universitätsklinik für Neurologie
Medizinische Universität Innsbruck
E-Mail: matteo.cesari@i-med.ac.at
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Um den Schweregrad von Schlafapnoen zu definieren, wird bislang der Apnoe-Hypopnoe-Index, kurz AHI, verwendet. Da er wenig Vorhersagekraft in Bezug auf damit einhergehende Erkrankungen bzw. Faktoren hat, werden Alternativen gesucht. Mittlerweile ermöglicht der technische Fortschritt die Bestimmung von vielversprechenden neuen Indizes.
Keypoints
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Der Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) hat nur eine begrenzte Vorhersagekraft in Bezug auf relevante klinische Korrelate von OSA.
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Fortschrittliche Algorithmen ermöglichen heute die Bestimmung von neuen Messgrößen und Indizes.
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Die Pulsankunftszeit (PAT) kann Hinweise auf kardiovaskuläre Erkrankungen sowie kognitive Störungen bei OSA-Patienten geben.
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Die hypoxische Belastung kann mit OSA-assoziierten Erkrankungen in Verbindung gebracht werden.
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Auch das Odds-Ratio-Produkt gibt Auskunft über die Kognition von OSA-Patienten und die Tagesschläfrigkeit.
Der Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) ist ein Maß für die Häufigkeit von Apnoen und Hypopnoen pro Schlafstunde und wird seit seiner Einführung in den 1970er-Jahren häufig in Schlafstudien bestimmt, um den Schweregrad von Schlafapnoen zu bewerten. Die Einführung dieses Index ist historisch bedeutsam, da er die Definition neuartiger Schlafstörungen wie des obstruktiven Schlafapnoe-Syndroms (OSA) ermöglichte, das weltweit eine hohe Prävalenz aufweist und nachweislich mit Tagesschläfrigkeit, verminderter Lebensqualität, Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Schlaganfall,Herzversagen und höherer Sterblichkeit einhergeht. Studien untersuchten, ob der AHI diese relevanten klinischen Korrelate der OSA vorhersagen kann. Die Ergebnisse zeigten jedoch, dass der AHI diesbezüglich nur eine begrenzte Vorhersagekraft hat, was darauf hinweist, dass der AHI kein geeignetes Maß für die Bestimmung des Schweregrades der OSA ist.1,2
Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse haben Forschende begonnen, neue Messgrößen und Indizes zu untersuchen, die besser mit klinischen Korrelaten der OSA assoziiert werden können als der AHI. Diese Indizes werden mit Algorithmen ermittelt, die auf fortschrittlichen Signalverarbeitungstechniken basieren. In diesem Artikel werde ich drei Indizes vorstellen, die meiner Meinung nach die vielversprechendsten sind und in Zukunft als Alternative zum AHI infrage kommen. Interessierte Leser finden einen umfassenden Überblick über diese und andere Indizes in einer kürzlich erschienenen Übersichtsarbeit.3 Abschließend werden Zukunftsperspektiven für diese neuen Indizes aufgezeigt.
Pulsankunftszeit
Abb. 1: Definition der Pulsankunftszeit (PAT)
Die Pulsankunftszeit („pulse arrival time“; PAT) ist definiert als die Zeit zwischen der R-Spitze im Elektrokardiogramm und dem folgenden Minimum im Pulsoximetriesignal (Abb. 1). Die PAT hat sich bislang als nützliches Maß zur Einschätzung des Blutdrucks erwiesen.4 Es hat sich gezeigt, dass abnormale PAT-Werte, die mit Apnoen und Hypopnoen einhergehen, mit einem um 18% erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen assoziiert sind5 und dass PAT-Veränderungen mit kognitiven Störungen bei Patienten mit OSA korrelieren.6
Hypoxische Belastung
Abb. 2: Schematische Darstellung der hypoxischen Belastung
Die hypoxische Belastung ergibt sich aus der Summe der Flächen der Sauerstoffentsättigung, die mit Apnoen und Hypopnoen assoziiert ist, geteilt durch die Gesamtschlafzeit (Abb. 2). Mit anderen Worten: Die hypoxische Belastung fasst die Tiefe und Länge der Entsättigung und ihre Häufigkeit zusammen.7 Mehrere Studien haben die Vorhersagekraft dieses neuartigen Index untermauert. Insbesondere wurde gezeigt, dass die hypoxische Belastung besser mit erhöhter Mortalität, Schlaganfall, Herzversagen, Nierenerkrankungen und anderen kardiovaskulären Ereignissen in Verbindung gebracht werden kann als der AHI.7
Odds-Ratio-Produkt
Das Odds-Ratio-Produkt ist ein aus der Elektroenzephalografie abgeleitetes Maß, das die Schlaftiefe auf einer kontinuierlichen Skala misst, die von 0 (sehr tiefer Schlaf) bis 2,5 (völlig wach) reicht. Im Vergleich zum klassischen Schlaf-Scoring ermöglicht dieses Maß das Erfassen von Schwankungen der Schlaftiefe auf einer Mikroebene.8 Das Odds-Ratio-Produkt wurde in vielen Studien untersucht, und es konnte gezeigt werden, dass es für die Bestimmung der Kognition von Patienten mit Schlafapnoe nützlich sein könnte9 und dass es mit der exzessiven Tagesschläfrigkeit zusammenhängt,10 die bei OSA sehr häufig auftritt.
Was wird die Zukunft bringen?
Die derzeitige Entwicklung digitaler Lösungen ermöglicht es, neue und komplexere Indizes zur Klassifizierung von schlafbezogenen Atmungsstörungen zu bestimmen. Es gibt vielversprechende Ergebnisse, die zeigen, dass diese neuen Indizes in Zukunft den AHI in der Klinik ergänzen bzw. ersetzen könnten. Es sind allerdings noch Studien erforderlich, um dies zu beweisen. Der Vorteil der neuen Indizes liegt darin, dass sie leicht aus Signalen bestimmt werden können, die von tragbaren Sensoren gewonnen werden, und dass sie sehr wahrscheinlich in der nächsten Generation dieser Technologien implementiert werden.
Schlafmediziner sollten sich also auf einen Paradigmenwechsel einstellen: In den nächsten Jahren wird die klassische Polysomnografie im Krankenhaus, bei der der AHI der wichtigste Parameter ist, vermutlich abgelöst werden von Aufzeichnungen durch kleine, am Körper getragene Sensoren, die eine Reihe neuartiger Indizes ergeben können.
Literatur:
1 Malhotra A et al.: Metrics of sleep apnea severity: beyond the apnea-hypopnea index. Sleep 2021; 44(7): zsab030 2 Pevernagier DA et al.: On the rise and fall of the apnea-hypnonea index: A historical review and critical appraisal. J Sleep Res 2020; 29(4): e13066 3 Hajipou M et al.: Association of alternative polysomnographic features with patient ourcomes in obstructive sleep apnea: a systematic review. J Clin Sleep Med 2023; 19(2): 225-42 4 Mukkamala R et al.: Toward ubuiquitous blood pressure monitoring via pulse transmit time: theory and practice. IEEE Trans Biomed Eng 2015; 62(8): 1879-901 5 Kwon Y et al.: Pulse arrival time, a novel cardiovascular marker: the multi-ethnic study of atherosclerosis. Thorax 2021; 76(11): 1124-30 6 Alomri RMA et al.: Association between cognitive dysfunction and nocturnal peaks of blood pressure estimated from pulse transit time in obstructive sleep apnoea. Sleep Med 2022; 90: 185-91 7 Martinez-Garcia MA et al.: Hypoxic burden in obstructive sleep apnea: present and future. Arch Bronconeumol 2023; S0300-2896(22)00524-5 8 Younes M et al.: Odds ratio product of sleep EEG as a continuous measure of sleep state. Sleep 2015; 38(4): 641-54 9 Azarbarzin A et al.: Interhemispheric sleep depth coherence predicts driving safety in sleep apnea. J Sleep Res 2021; 30: e13092 10 Lechat B et al.: A novel EEG marker predicts perceived sleepiness and poor sleep quality. Sleep 2022; 45(5): zsac051
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