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Sequenzielle Behandlung bringt Vorteile
Leading Opinions
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01.09.2016
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<p class="article-intro">Die Osteoporosebehandlung ist im Umbruch. Die Entwicklung schreitet von Langzeitmonotherapien mit Bisphosphonaten hin zu vermehrt sequenziellen Behandlungen. Warum das so ist, erläuterte Prof. Dr. med. Serge Ferrari, Genf, an der SVGO-Jahresversammlung in Bern anhand neuer Studiendaten.</p>
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<p class="article-content"><p>Bisphosphonate und der monoklonale Antikörper Denosumab werden in der Behandlung der Osteoporose am häufigsten eingesetzt. Beide Therapien hemmen über unterschiedliche Mechanismen die Osteoklasten und den Knochenabbau. In Studienvergleichen schneidet Denosumab bei der Knochendichte etwas besser ab als die Bisphosphonate. Die Effekte sind jedoch reversibel, Denosumab wirkt nur, solange das Medikament verabreicht wird. Bei den Bisphosphonaten hingegen bleibt die Wirkung auch nach Behandlungsende noch für einige Jahre erhalten. «Eine sequenzielle Behandlung mit Denosumab und Bisphosphonaten scheint deshalb sinnvoll zu sein», erklärte der Knochenspezialist Prof. Dr. med. Serge Ferrari vom Universitätsspital in Genf.<sup>1–3</sup><br /> Jetzt zeigt eine neue Studie: Auch eine sequenzielle Therapie in umgekehrter Reihenfolge mit einem Wechsel von oralen Bisphosphonaten hin zur parenteralen Gabe eines Antiresorptivums bringt einen therapeutischen Nutzen.<sup>4</sup> Die Arbeit verglich ausserdem Denosumab und Zoledronat direkt miteinander. Eingeschlossen waren 643 menopausale Frauen mit einer Osteoporose, die bereits während mindestens zwei Jahren (im Durchschnitt 6 Jahre) mit Alendronat, Ibandronat oder Risodronat behandelt worden waren. Von den Teilnehmerinnen erhielt die eine Hälfte sechsmonatlich eine Spritze Denosumab à 60mg, die andere einmal jährlich eine Injektion Zoledronat 5mg. «Nach einer einjährigen Behandlung hatten die Frauen in der Denosumab-Gruppe eine signifikant höhere Knochendichte an Wirbelsäule, Hüfte, Schenkelhals und Radius», resümierte Ferrari. Im Vergleich zur Zoledronat-Gruppe war zudem der Knochenumbau im Denosumab-Arm signifikant geringer.</p> <h2>Optimale Therapiedauer mit Bisphosphonaten</h2> <p>Eine zentrale Frage, die sich bei sequenziellen Therapien stellt, ist: Welches ist der richtige Zeitpunkt für einen Präparatewechsel? Für Bisphosphonate wird eine Behandlungsdauer von bis zu fünf Jahren vorgeschlagen.<sup>5</sup> Aus einer A-posteriori-Analyse der FLEX-Studie gibt es dennoch limitierte Evidenz, die für eine längere Therapiedauer bei bestimmten Patientinnen spricht.<sup>6, 7</sup> «Möglicherweise profitieren menopausale Frauen mit einem hohen Frakturrisiko sowie Patientinnen mit einem Knochenbruch in der Vorgeschichte oder mit einer persistierenden Osteoporose von einer über fünf Jahre hinausgehenden Behandlung mit Bisphosphonaten», führte Ferrari aus. Die amerikanische Fachgesellschaft ASBMR hat bereits auf die neuen Daten reagiert und ihre Leitlinien aktualisiert. Sie empfiehlt, bei Hochrisikopatientinnen jeweils eine verlängerte Behandlung mit einem Antiresorptivum über zehn Jahre oder sogar noch länger in Erwägung zu ziehen (Abb. 1).<sup>8</sup> Die amerikanische Heilmittelbehörde FDA rät zudem neu, den Entscheid über die Therapiedauer mit Bisphosphonaten jeweils auf Basis einer individuellen Nutzen-Risiko-Analyse zu fällen. «Mit ihren neuen Empfehlungen wollen ASBMR und FDA verhindern, dass Hochrisikopatientinnen eine Behandlung vorenthalten wird, von der sie möglicherweise profitieren könnten», so der Professor. Beide Institutionen betonten jedoch, es seien weitere Studien über die optimale Behandlungsdauer notwendig.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Innere_1604_Weblinks_Seite44.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>10-Jahres-Daten zu Denosumab publiziert</h2> <p>Eben erst veröffentlicht wurden die ersten 10-Jahres-Daten zur Langzeitbehandlung mit Denosumab.<sup>9</sup> «Wirkung und Sicherheit der Dauertherapie wurden in der dreijährigen FREEDOM-Studie und im Anschluss an diese Studie noch in einer siebenjährigen Verlängerung untersucht», erläuterte Ferrari. In der Erweiterungsstudie waren 4550 postmenopausale Frauen mit Osteoporose eingeschlossen. Sie erhielten alle sechs Monate Denosumab sowie täglich Kalzium und Vitamin D. Die Hälfte der Teilnehmerinnen war schon während der dreijährigen FREEDOM-Studie mit Denosumab behandelt worden, die andere Gruppe bekam zunächst drei Jahre Placebo und danach Denosumab verabreicht. «Wie die Resultate zeigen, blieb das Nutzen-Risiko-Profil während der ganzen Studiendauer unverändert», so der Experte. In beiden Armen profitierten die Patientinnen in der Verlängerungsstudie mit einer Zunahme der Knochendichte (Abb. 2), zudem gingen die Knochenumsatzmarker in beiden Gruppen zurück, und auch die Frakturraten blieben über die gesamte Studiendauer niedrig.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Innere_1604_Weblinks_Seite46.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Vielversprechende neue Therapien in Entwicklung</h2> <p>Prof. Ferrari präsentierte schliesslich auch einige neue Studienresultate zu Osteoporosetherapien, die noch in Entwicklung stehen. Als vielversprechend bezeichnete er die Daten zu Odanacatib, Abaloparatid und Romosozumab. Die drei Substanzen unterscheiden sich in ihren Wirkmechanismen. So hat Odanacatib antiresorptive Effekte unter Aufrechterhaltung der Knochenbildung, Abaloparatid ist ein neuer Knochenbildner und Romosozumab hat eine osteoanabole Wirkung mit Verminderung der Resorption.<br /> Für den Kathepsin-K-Hemmer Odanacatib konnten mit der Phase-III-Studie LOFT eine signifikante Zunahme der Knochendichte und eine Reduktion der Frakturen bei menopausalen Frauen im Vergleich zu Placebo belegt werden.<sup>10</sup> Letztes Jahr wurden nun auch Daten aus Subgruppenanalysen veröffentlicht. Diese zeigen eine Reduktion des Frakturrisikos unabhängig von Alter, vorbestehenden Frakturen und Ausgangs-T-Score.<sup>10</sup> Trotz der guten Daten ist Odanacatib in Europa noch nicht zugelassen. «Grund sind sekundäre Endpunkte, insbesondere hinsichtlich kardiovaskulärer Ereignisse, die noch re-evaluiert werden müssen», so Ferrari. <br /> Abaloparatid ist ein Analogon des Parathormon-related Proteins. Phase-II-Studiendaten belegten früher bereits signifikante Effekte auf die Knochendichte. Die 2015 an der ASBMR-Jahresversammlung präsentierten Phase-III-Resultate zeigen nun auch: Im Vergleich zu Placebo reduziert eine tägliche subkutane Abaloparatid-Gabe während 18 Monaten die osteoporotischen Wirbelfrakturen um 86 % und die nicht vertebralen Frakturen um 43 % .<sup>11</sup> Aufgrund der guten Daten hat der Hersteller Anfang dieses Jahres ein Zulassungsgesuch für Abaloparatid bei der europäischen Heilmittelbehörde EMA eingereicht.<br /> Positive Studienresultate gibt es auch für den neuen monoklonalen Antikörper und Sclerostinhemmer Romosozumab. Die 2014 veröffentlichte Phase-II-Studie zeigte hinsichtlich der Knochendichte einen Vorteil für Romosozumab im Vergleich zu Placebo, Alendronat und Teriparatid.<sup>12</sup> Die neusten Daten belegen nun auch eine signifikant bessere Wirkung auf die Knochenstärke als für Teriparatid.<sup>13</sup> Überdies zeigt eine Studie, dass der positive Effekt auf die Knochendichte mit einer sequenziellen Therapie – erst zwei Jahre Romosozumab, dann Denosumab – weiter gesteigert werden kann.<sup>14</sup> Prof. Ferrari ist deshalb überzeugt, dass die sequenziellen Therapien nicht nur mit etablierten, sondern auch ganz neuen Substanzen in Zukunft die Monodauertherapien mit Bisphosphonaten ablösen werden.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Kendler DL et al: Effects of denosumab on bone mineral density and bone turnover in postmenopausal women transitioning from alendronate therapy. J Bone Miner Res 2010; 25: 72-81 <br /><strong>2</strong> Recknor C et al: Denosumab compared with ibandronate in postmenopausal women previously treated with bisphosphonate therapy: a randomized open-label trial. Obstet Gynecol 2013; 121: 1291-9 <br /><strong>3</strong> Roux C et al: Denosumab compared with risedronate in postmenopausal women suboptimally adherent to alendronate therapy: efficacy and safety results from a randomized open-label study. Bone 2014; 58: 48-54 <br /><strong>4</strong> Miller PD et al: Denosumab or zoledronic acid in postmenopausal women with osteoporosis previously treated with oral bisphosphonates. J Clin Endocrinol Metab 2016; [epub ahead of print] <br /><strong>5</strong> Whitaker M et al: Bisphosphonates for osteoporosis--where do we go from here? N Engl J Med 2012; 366: 2048-51 <br /><strong> 6</strong> Black DM et al; FLEX Research Group: Effects of continuing or stopping alendronate after 5 years of treatment: the Fracture Intervention Trial Long-term Extension (FLEX): a randomized trial. JAMA 2006; 296: 2927-38 <br /><strong>7</strong> Schwartz AV et al; FLEX Research Group: Efficacy of continued alendronate for fractures in women with and without prevalent vertebral fracture: the FLEX trial. J Bone Miner Res 2010; 25: 976-82 <br /><strong>8</strong> Adler RA et al: Managing osteoporosis in patients on long-term bisphosphonate treatment: report of a task force of the American Society for Bone and Mineral Research. J Bone Miner Res 2016; 31: 16-35 <br /><strong>9</strong> Bone HG et al: Ten years of denosumab treatment in postmenopausal women with osteoporosis: results from the FREEDOM extension trial. ASBMR 2015 Annual Meeting. LB-1157 <br /><strong>10</strong> Bone HG et al: Odanacatib for the treatment of postmenopausal osteoporosis: development history and design and participant characteristics of LOFT, the Long-Term Odanacatib Fracture Trial. Osteoporos Int 2015; 26: 699-712 (Erratum in: Osteoporos Int 2015; 26: 2721) <br /><strong>11</strong> Leder BZ et al: Effects of abaloparatide, a human parathyroid hormone-related peptide analog, on bone mineral density in postmenopausal women with osteoporosis. J Clin Endocrinol Metab 2015; 100: 697-706 <br /><strong>12</strong> McClung MR et al: Romosozumab in postmenopausal women with low bone mineral density. N Engl J Med 2014; 370: 412-20 <br /><strong>13</strong> Highlights oft he ASBMR 2015 Annual Meeting: <a href="http://www.asbmr.org" target="_blank">www.asbmr.org</a> <br /><strong>14</strong> McClung et al: Effects of 2 years of treatment with romosozumab followed by 1 year of denosumab or placebo in postmenopausal women with low bone mineral density. ASBMR 2014 Annual Meeting: OR 1152</p>
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