Neue ERS/EBMT-Leitlinie zur Behandlung der pulmonalen cGvHD
Bericht:
Dr. rer. nat. Torsten U. Banisch
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Die chronische Graft-versus-Host-Erkrankung (cGvHD) ist eine schwere Komplikation, die nach einer allogenen hämatopoetischen Stammzelltransplantation (aHSCT) auftreten kann. Eine neue Behandlungsleitlinie soll die therapeutische Versorgung in der Praxis erleichtern.
«Die chronische Graft-versus-Host-Erkrankung tritt auf, wenn immunkompetente T-Lymphozyten des Spendertransplantats das Gewebe des Empfängers aufgrund von Histokompatibilitätsunterschieden als fremd erkennen und eine Immunreaktion dagegen auslösen», erläuterte Prof. Dr. Daiana Stolz, Universitätsklinikum Freiburg. T-Zellen spielen eine zentrale Rolle bei der Initiierung der cGvHD. Wahrscheinlich sind CD4+- T-Helferzellen ebenfalls beteiligt. cGvHD führt zu Gewebeschäden in verschiedenen Organen, darunter Haut, Magen-Darm-Trakt, Leber und Lunge. cGvHD kann sich als akute oder chronische Form manifestieren.1
Einer cGvHD können mehrere Krankheiten zugrunde liegen. In den meisten Fällen ist es eine Bronchiolitis obliterans (BOS). Diese kann zwischen 100 Tagen und 2 Jahren nach der Transplantation auftreten und betrifft 14 % der HSCT-Rezipienten.1, 2 Zu den Risikofaktoren zählen eine eingeschränkte Lungenfunktion vor der HSCT, CMV(Zytomegalievirus)-Seropositivität, eine Lungenerkrankung vor der Transplantation und weibliche oder nicht verwandte Spender.
Schwierige Diagnostik
Eine der Herausforderungen der Erkrankung ist die Diagnostik, da sich diese bisher alleinig auf die Lungenfunktion bezieht. Für eine genaue BOS-Diagnose sind jedoch Gewebeproben erforderlich, was problematisch sein kann. Die Lungenbiopsie von BOS zeigt unter anderem eindeutige, dichte eosinophile Vernarbungen der Bronchiolen, was zu einem gewissen Grad an luminaler Verengung führt.3 Histologisch können mehrere Stadien und auch Phänotypen wie eine konstriktive oder lymphozytäre Bronchiolitis identifiziert werden.
Gerade zum Einsatz von CT-Scans in der Diagnostik gibt es viele Weiterentwicklungen. Zu den neueren und vielversprechenden diagnostischen Methoden zählt hier das parametrische «response mapping» (PRM), bei dem anhand eines CT-Scans BOS detektiert werden kann.4 Eine andere Möglichkeit, um die Erkrankung potenziell früher zu erkennen, ist die genaue Analyse zusätzlicher Lungenfunktionsparameter. So ist die Messung der Stickstoffauswaschung (N2-Washout) sensitiver als eine Spirometrie, um eine Heterogenität in der Ventilation zu detektieren.
In einer breiten Studie an 225 Patient:innen, die eine allogene HSCT unterliefen, konnte gezeigt werden, dass nur 56,5 % eine Abnormalität in FEV1/FVC zeigten, jedoch 95,5 % eine erhöhte Lungenbelüftung (LCI) und 81,8 % einen erhöhten Sacin z-score aufwiesen.5 Eine auf der ERS 2024 vorgestellte Studie zeigt, dass der N2-Washout als auch ein prognostischer Test dienen können, um Patienten zu identifizieren, die ein Risiko für BOS haben oder bei denen eine BOS auftritt. Hier wurden 1440 Besuche von 166 Patienten über 2 Jahre ausgewertet und ermittelt, dass das Risiko, eine BOS zu entwickeln, signifikant mit höheren LCI2,5 z-Scores (OR: 1,0695; p=0,0214), Sacin z-scores (OR: 1,1050; p=0,0021) und SIll z-scores (OR: 1,3002; p<0,0001) während der zweijährigen Nachbeobachtungszeit anstieg. Mit dieser Methode könnte BOS 4 bis 8 Monate früher diagnostiziert werden.6 Es besteht ein hoher ungedeckter Bedarf in der cGvHD-Therapielandschaft. Die 2-Jahres-Überlebensrate von BOS-Patient:innen liegt bei nur 44 % und es mangelt weiterhin an wirksamen Therapien für BOS nach einer HSCT. Das hohe Risiko für Lungeninfektionen und vorzeitigen Tod von BOS-Patient:innen unterstreicht die Notwendigkeit der Entwicklung wirksamerer und weniger toxischer Behandlungen. «Zudem sind die derzeitigen Behandlungsschemata sehr komplex, was uns dazu bewog, eine neue umfassende evidenzbasierte Behandlungsrichtlinie in diesem Therapiefeld zu erstellen», so Stolz.
Neue Behandlungsleitlinie für Erwachsene mit pulmonaler cGvHD
Eine der zentralen Fragen bei der Erstellung der neuen Leitlinie zur Behandlung von BOS war, ob die bisher eingesetzten Medikamente über die nötigen Evidenzen verfügen, um einen Einsatz bei Erwachsenen mit dem cGvHD-Phänotyp BOS zusätzlich zu ihrer konventionellen immunsuppressiven Behandlung zu empfehlen.
Zudem sollte ermittelt werden, wie und wie häufig Erwachsene mit dem cGvHD-Phänotyp BOS erneut untersucht werden sollten und ob auf andere Gesundheitsmassnahmen wie Impfungen, Infektionsprophylaxe, pulmonale Rehabilitation, Raucherentwöhnung oder eine langfristige Sauerstoffbehandlung geachtet werden sollte. Die neu erarbeiteten Empfehlungen sind ausnahmslos konditionell, da es in vielen Bereichen noch an der Anzahl und Aussagekraft der vorhandenen Studien mangelte. Zudem waren die Studien sehr heterogen, was Protokolle, Endpunkte etc. betrifft.7
Die neuen First-Line-Empfehlungen im Überblick:
Bei Erwachsenen mit cGvHD-Phänotyp BOS in der Lunge wird empfohlen, zusätzlich zur konventionellen Immunsuppression inhalative Kortikosteroide mit oder ohne lang wirksame Betaagonisten einzusetzen.
Bei Erwachsenen mit Lungen-cGvHD-Phänotyp BOS wird die Verwendung von Fluticason, Azithromycin und/oder Montelukast zusätzlich zu den konventionellen immunsuppressiven Regimen empfohlen.
Die Second-Line-Empfehlungen:
Bei Erwachsenen mit Lungen-GvHD-Phänotyp BOS wird empfohlen, entweder Imatinib zusätzlich zur konventionellen Immunsuppression oder eine konventionelle Immunsuppression zu verwenden.
Bei Erwachsenen mit cGvHD-Phänotyp BOS in der Lunge wird empfohlen, Ibrutinib nicht zusätzlich zur konventionellen immunsuppressiven Behandlung einzusetzen.
Bei Erwachsenen mit progredientem Lungen-GvHD-Phänotyp BOS wird empfohlen, die extrakorporale Photopherese zusätzlich zur konventionellen immunsuppressiven Therapie anzuwenden.
Bei Erwachsenen mit Lungen-GvHD-Phänotyp BOS wird empfohlen, entweder Ruxolitinib zusätzlich zur konventionellen Immunsuppression oder eine konventionelle Immunsuppression zu verwenden.
Bei Erwachsenen mit CoVH-Lungen-Phänotyp BOS wird empfohlen, entweder eine Immunsuppression mit Belumosudil oder eine konventionelle Immunsuppression anzuwenden.
Im Endstadium der Erkrankung lautet die neue Empfehlung:
Bei genauestens ausgewählten Erwachsenen mit GvHD-Phänotyp BOS im Endstadium der Lunge wird eine Lungentransplantation als lebensrettende Therapie vorgeschlagen.7
Zudem machte Dr. Saskia Bos, Universitätskrankenhaus Leuven, die die neue Leitlinie präsentierte, darauf aufmerksam, dass eine gute Zusammenarbeit zwischen der hämatologischen Abteilung und der Abteilung für Atemwegserkrankungen und eine frühzeitige Überweisung an einen Atemwegsspezialisten die Grundlage für eine bestmögliche Behandlung sind.
Im Zuge der Erstellung der neuen Leitlinien wurde deutlich, dass es mehr, aber auch standardisierte Studien braucht und Angaben zur Lebensqualität und Patient:innen-Fragebögen inkludiert werden sollten. Zudem sollte ein Fokus auf neue Biomarker gelegt werden, die die Reaktion der Patient:innen auf die Behandlung individuell abbilden können.
Quelle:
Session «Treatment of pulmonary chronic graft-versus-host disease in adults
ERS/EBMT clinical practice guideline», «Pulmonary chronic graft-versus-host disease: what’s up?», Vortrag von Prof. Daiana Stolz, Freiburg, und «Pulmonary chronic graft-versus-host disease: guidelines on treatment», Vortrag von Dr. Saskia Bos, Leuven; ERS 2024 am 9. September 2024, Wien
Literatur:
Cooke KR et al.: The biology of chronic graft-versus-host disease: a task force report from the National Institutes of Health Consensus Development Project on criteria for clinical trials in chronic graft-versus-host disease. Biol Blood Marrow Transplant 2017; 23(2): 211-34
Vaillant AAJ et al.: Graft-Versus-Host Disease. Statpearls 2024; Treasure Island (FL): StatPearls Publishing
Shulman HM et al.: Histopathologic diagnosis of chronic graft-versus-host disease: National Institutes of Health Consensus Development Project on criteria for clinical trials in chronic graft-versus-host disease: II. Pathology working group report. Biol Blood Marrow Transplant 2006; 12(1): 31-47
Galbán CJ at al.: Parametric response mapping as an indicator of bronchiolitis obliterans syndrome after hematopoietic stem cell transplantation. Biol Blood Marrow Transplant 2014; 20(10): 1592-8
Nyilas S et al.: Inert gas washout in bronchiolitis obliterans following hematopoietic cell transplantation. Chest 2018; 154(1): 157-68
Gonzales L et al.: Single and multiple N2-washout tests for the diagnosis of bronchiolitis obliterans syndrome after allogeneic stem cell transplantation – a longitudinal study. ERS 2024, Late Breaking Abstract #OA4644
Bos S et al.: ERS/EBMT clinical practice guidelines on treatment of pulmonary chronic graft-versus-host disease in adults. Eur Respir J 2024; 63(3): 2301727
Das könnte Sie auch interessieren:
PAH-Therapiealgorithmus in Veränderung
Im Juni 2024 fand in Barcelona das 7th World Symposium on Pulmonary Hypertension (WSPH7) statt, auf dem ein neuer Therapiealgorithmus definiert wurde, der sich in einigen Punkten von den ...
ERS Newsroom 2024
Informieren Sie sich hier über die Highlights des ERS International Congress 2024 in Wien.
Biologika anhand der Komorbiditäten auswählen
Für das Management des schweren Asthmas steht mittlerweile eine grössere Zahl zugelassener Biologika zur Verfügung. Dies kann im klinischen Alltag die Wahl der Therapie erschweren. Neben ...