Was Enthusiasten von Erfahrenen lernen können
Bericht:
Reno Barth
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Unter dem Titel «Enthusiast meets Experienced» präsentierte die ERS im Rahmen ihres diesjährigen Kongresses ein neues Gesprächsformat. Junge Wissenschaftler:innen erhalten dabei Gelegenheit, die aus ihrer Sicht bahnbrechenden Studien zu einer bestimmten Indikation zu präsentieren und ihre Einschätzungen mit führenden Expert:innen zu diskutieren. Dr. Nina Sicker, Klinik Donaustauf, sprach mit Prof. Dr. Michael Kreuter vom Zentrum für Thoraxerkrankungen der Universitätsmedizin Mainz über die idiopathische Lungenfibrose.
Die idiopathische Pulmonalfibrose (IPF) zählt zu den interstitiellen Lungenerkrankungen und weist unbehandelt eine sehr schlechte Prognose auf. In historischen Kohorten war das Überleben in etwa vergleichbar mit jenem von Lungenkrebspatienten. Als Landmark-Studien bezeichnete Sicker die Phase-III-Studien mit den beiden mittlerweile zugelassenen antifibrotischen Therapien Pirfenidon und Nintedanib. Pirfenidon wurde zunächst in den beiden CAPACITY-Studien untersucht, von denen allerdings eine den primären Endpunkt, Veränderung der forcierten Vitalkapazität nach 72 Wochen, verfehlte.1 In der Folge wurde die Studie ASCENT durchgeführt, in der sich Pirfenidon sowohl im Hinblick auf den primären Endpunkt Veränderung der FVC nach 52 Wochen als auch den sekundären Endpunkt progressionsfreies Überleben als wirksam erwies.2 Nebenwirkungen waren gastrointestinale Probleme und Hautveränderungen. Die Zulassung von Nintedanib beruht auf den Studien INPULSIS 1 & 2, die über 52 Wochen in der Verumgruppe eine reduzierte Abnahme der FVC zeigten. Auch die Zeit bis zur ersten Exazerbation war unter Nintedanib im Vergleich zu Placebo verlängert. Häufigste Nebenwirkung war Diarrhö.3
Leitlinie: Immunsuppression bei IPF kontraindiziert
Auf dieser Basis schlagen die Leitlinien heute ein multimodales Management der Erkrankung mit Nintedanib und Pirfenidon als antifibrotischen Optionen vor. Kortikosteroide und andere immunsuppressive Substanzen sollen bei IPF nicht eingesetzt werden. Hier wies Kreuter auf einen Bruch mit jahrelang bestehenden Empfehlungen hin. Vor 25 Jahren stellten nämlich diverse Immunsuppressiva die Therapie der Wahl bei IPF dar – vor dem Hintergrund, dass IPF zu dieser Zeit als entzündliche Erkrankung gesehen wurde. Gamechanger in dieser Hinsicht war die 2012 publizierte PANTHER-Studie, in der eine immunmodulatorische Kombinationstherapie im Vergleich zu Placebo mit erhöhter Mortalität assoziiert war.4 Kreuter: «Insbesondere jüngeren Kollegen kann man empfehlen, nicht nur die aktuellen, sondern auch die älteren Leitlinien zu lesen. Aus der Entwicklung lässt sich viel lernen.»
Sicker unterstrich, dass die Vitalkapazität bei IPF sehr schnell abnehmen kann. Dies zeige nicht nur die klinische Erfahrung, sondern auch die Literatur. In der INMARK-Studie, die ursprünglich der Identifikation prognostischer Biomarker dienen sollte, wurden IPF-Patienten über 12 Wochen mit Nintedanib oder Placebo behandelt, danach wurden die Placebo-Patienten ebenfalls auf Nintedanib umgestellt.5 Selbst in dieser kurzen Zeit zeigte sich in der Placebo-Gruppe eine relevante Abnahme der FVC, während die Patienten in der Nintedanib-Gruppe stabil blieben. Daraus ergibt sich die Forderung, den Beginn einer antifibrotischen Therapie nicht zu verzögern. Kreuter erörterte, dass dieses evidenzbasierte Vorgehen in manchen europäischen Ländern leider nicht mit der Erstattungspraxis kompatibel ist.
Ungeachtet der insgesamt verbesserten Situation bleiben noch zahlreiche offene Fragen rund um das Management der IPF. Zum Beispiel jene nach der optimalen Behandlung akuter Exazerbationen. Diese haben bei IPF eine Akutmortalität von rund 50 % und wirken sich obendrein ungünstig auf die Fibrosierung der Lunge aus. Nach einer Exazerbation liegt das mediane Überleben bei etwas mehr als zwei Monaten. Ein erheblicher Anteil der von IPF Betroffenen stirbt während oder kurz nach einer akuten Exazerbation. Die Leitlinien empfehlen in dieser Situation den Einsatz systemischer Steroide. Kreuter betonte jedoch, dass es sich hier um einen Expertenkonsensus ohne harte Evidenz handle, dem allerdings die meisten Zentren in Europa folgen. Auch im Falle der akuten Exazerbationen bestehen mittlerweile berechtigte Zweifel an immunsupprimierenden Strategien. So führte in der Studie EXAFIP der Einsatz von Cyclophosphamid zu einer Erhöhung der Mortalität.6 Aktuell laufe in Frankreich eine grosse Studie, die die Frage nach dem Wert der Steroide in dieser Situation klären soll, so Kreuter.
Quelle:
Session «Enthusiast meets experienced: interstitial lung disease», ERS 2024, 8. September 2024, Wien
Literatur:
Noble PW et al.: Pirfenidone in patients with idiopathic pulmonary fibrosis (CAPACITY): two randomised trials. Lancet 2011; 377(9779): 1760-9
King TE J et al.: A phase 3 trial of pirfenidone in patients with idiopathic pulmonary fibrosis. N Engl J Med 2014; 370(22): 2083-92
Richeldi L et al.: Efficacy and safety of nintedanib in idiopathic pulmonary fibrosis. N Engl J Med 2014; 370(22): 2071-82
Idiopathic Pulmonary Fibrosis Clinical Research Network: Prednisone, azathioprine, and N-acetylcysteine for pulmonary fibrosis. N Engl J Med 2012; 366(21): 1968-77
Maher TM et al.: Biomarkers of extracellular matrix turnover in patients with idiopathic pulmonary fibrosis given nintedanib (INMARK study): a randomised, placebo-controlled study. Lancet Respir Med 2019; 7(9): 771-9
Naccache JM et al.: Cyclophosphamide added to glucocorticoids in acute exacerbation of idiopathic pulmonary fibrosis (EXAFIP): a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet Respir Med 2022; 10(1): 26-34
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