„Neue Substanzen bieten zusätzliche Möglichkeiten für schnelle und effektive Therapie“
Unsere Gesprächspartner:
Univ.-Prof. Dr. Kathrin Eller
Dr. Balasz Odler
Klinische Abteilung für Nephrologie
Medizinische Universität Graz
Das Interview führte Dr. Felicitas Witte
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Die Leitlinien der gemeinnützigen Organisation KDIGO (Kidney Disease: Improving Global Outcomes) gelten als internationaler Standard für die Behandlung von Nierenkrankheiten. Im Jänner 2024 wurde die Leitlinie zur Lupusnephritis aktualisiert.1 Eine der wichtigsten Neuerungen ist, dass Belimumab beziehungsweise Calcineurin-Inhibitoren in der Triple-Therapie bei Patienten mit Lupusnephritis Klasse III/IV eingesetzt werden können. Prof. Eller und Dr. Odler aus Graz – beide sind Autoren der österreichischen Konsensusempfehlungen zur Lupusnephritis2 – erklären, wie sie in der Praxis vorgehen.
Was sind für Sie die interessantesten Neuigkeiten der Leitlinie?
K. Eller: Wichtig ist aus nephrologischer Sicht die Empfehlung, dass eine Hochdosis-Cyclophosphamidtherapie nur mehr in Ausnahmefällen – also in sehr schweren, lebensbedrohlichen Situationen – sinnvoll ist und dass wir mit deutlich geringeren Steroiddosierungen arbeiten können. Außerdem ist die Erwähnung der neuen alternativen Substanzen – also Calcineurin-Inhibitoren und Belimumab – eine wichtige Neuerung, die wir insbesondere bei proliferativer Lupusnephritis (Klasse III/IV) einsetzen. Darüber hinaus gibt uns die Leitlinie auch Empfehlungen zur supportiven Therapie, um insbesondere kardiovaskuläre Folgeerkrankungen und infektiologische Komplikationen effektiver zu verhindern.
Warum legen die Autoren einen Schwerpunkt auf die neuen Substanzen in Form einer Triple-Therapie?
K. Eller: Es gibt zwei neue publizierte randomisierte klinische Studien für die Behandlung der Lupusnephritis Klasse III/IV, die unsere Therapieoptionen erweitert haben.3,4 Diese Form der Lupusnephritis ist die aggressivste Form und hier bringen uns die neuen Substanzen zusätzliche Möglichkeiten, um schnell und effektiv zu therapieren. Damit hoffen wir, den Schaden in der Niere rascher und konsequenter verhindern und am Ende das nephrologische Outcome wesentlich verbessern zu können.
In der Leitlinie sind bei Klasse-III/IV-Lupusnephritis zusätzlich zu Glukokortikoiden vier Behandlungsmöglichkeiten erwähnt.1 Wovon hängt es ab, welche der vier Strategien Sie auswählen?
B. Odler: Entsprechend unseren Empfehlungen2 versuchen wir, eine Klasse-III/IV-Lupusnephritis mit hoher Aktivität in der Nierenbiopsie intensiver zu therapieren, also mit einer Triple-Therapie, und die neuen Schemata mit Calcineurin-Inhibitoren oder Belimumab zusätzlich zur Standardtherapie zu wählen. Auch die KDIGO lässt es den behandelnden Ärzten offen, ob sie gleich zu Beginn mit einer Triple-Therapie starten. Liegt eine hohe Proteinurie vor, tendiere ich eher zu einem Calcineurin-Inhibitor, wohingegen ich bei höherer serologischer Lupusaktivität Belimumab zusätzlich zur Standardtherapie einsetze. Ist die Nierenfunktion bereits deutlich eingeschränkt, bevorzuge ich auch Belimumab, da der Calcineurin-Inhibitor in dieser Situation zu einer weiteren Nierenfunktionsverschlechterung führen kann.
Für das Management der puren membranösen Lupusnephritis Klasse V geben die Autoren keine definitiven Empfehlungen. Warum das, wo doch in den Studien zu Belimumab und Voclosporin solche Patienten eingeschlossen waren?
K. Eller: Per se sind die reinen Klasse-V-Lupusnephritiden sehr selten und keine Studie war für diese Subpopulation ausreichend gepowert. Daher ist es auch verständlich, dass keine klaren Empfehlungen abgegeben werden können. Pathomechanistisch würde sich bei einer Klasse-V-Lupusnephritis wahrscheinlich eher ein Calcineurin-Inhibitor eignen, da dieser podozytenstabilisierende Eigenschaften hat.
Welche Nebenwirkungen sind Ihrer Ansicht nach für die Patienten die größte Herausforderung?
B. Odler: Problematisch ist sicherlich die hohe Anzahl an Tabletten. Ansonsten stehen gerade am Anfang der Therapie Infekte im Mittelpunkt, die immer wieder eine Anpassung der Medikation erfordern. Zudem sind auch gastrointestinale Nebenwirkungen gerade bei Mycophenolatsäure-Analoga ein Thema. Da unsere Patientinnen mit systemischem Lupus erythematodes meist sehr jung sind, ist auch der Kinderwunsch ein wichtiges Thema. Hier müssen wir rechtzeitig die Medikation anpassen, da viele Präparate in der Schwangerschaft kontraindiziert sind.
Werden die Medikamente von den Krankenkassen immer erstattet?
K. Eller: Gewisse Medikamente sind in der „no box“. Daher müssen wir für diese Medikation einen Einzelfallantrag an die Krankenkasse stellen.
Welche neuen Präparate halten Sie für vielversprechend?
B. Odler: Ich halte viel vom CD20-Antikörper Obinutuzumab. Dieser war in einer Phase-II-Studie bereits sehr effektiv und verbessert sowohl das serologische als auch das nephrologische Outcome.5 Zukunftsmusik sind noch die CD19-CAR-T-Zellen, die zumindest in der therapierefraktären Situation zukünftig eine Option sein könnten.
Können Rheumatologen Lupusnephritispatienten selbstständig behandeln?
K. Eller: Die Zusammenarbeit zwischen Rheumatologen und Nephrologen funktioniert zumindest an unserem Zentrum hervorragend und ich halte eine gute Kooperation für enorm wichtig. Es braucht Spezialisten beider Fachgebiete, um das beste Outcome zu erzielen.
Literatur:
1 KDIGO 2024 Clinical practice guideline for the management of lupus nephritis. Kidney Int 2024; 105 (1S): S1-69 2 Odler B et al.: Diagnostik und Therapie der Lupusnephritis – 2023. Wien Klin Wochenschr 2023; 135(Suppl 5): 675-87 3 Furie R et al.: Two-year, randomized, controlled trial of belimumab in lupus nephritis. N Engl J Med 2020; 383(12): 1117-28 4 Rovin BH et al.: Efficacy and safety of voclosporin versus placebo for lupus nephritis (AURORA 1): a double-blind, randomised, multicentre, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet 2021; 397: 2070-80 5 Furie RA et al.: B-cell depletion with obinutuzumab for the treatment of proliferative lupus nephritis: a randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Ann Rheum Dis 2022; 81(1): 100-7
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