Beatmung bei Covid-19 – alles anders?
Autor:
Dr. Otmar Schindler
Geschäftsführender Oberarzt
Abteilung für Innere Medizin und Pneumologie, Standort Enzenbach
LKH Graz II
E-Mail: otmar.schindler@kages.at
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Die Empfehlungen zur Beatmung von Patienten mit durch Covid-19 bedingtem ARDS haben sich im Verlauf der Pandemie mehrfach geändert. Zuletzt zeigte sich wieder, dass bei jeder Form des ARDS eine individuelle pathophysiologische Beurteilung der Atemmechanik zur Optimierung der Betamungseinstellungen sinnvoll ist.
Keypoints
-
Das ARDS wird anhand der Berlin-Definition definiert und in Schweregrade eingeteilt.
-
Die lungenprotektive Beatmung (LPV) und die Bauchlagerung zählen zu evidenzbasierten Therapiesettings bei ARDS.
-
Bei einem CARDS ist ein initialer NIV-Versuch meist möglich und sinnvoll.
-
Lungenprotektive Beatmung und Bauchlagerung sowie eine engmaschige Evaluation der Therapie sind evidenzbasierte Therapiemaßnahmen.
Das ARDS („acute respiratory distress syndrome“) ist seit den 1960er-Jahren als schwerste Form der Lungenschädigung definiert. Diese Definitionerfuhr im Jahr 2012 ein Update – die sogenannte Berlin-Definition.1 Das Vorliegen eines ARDS wird darin anhand klinischer Kriterien definiert (Tab.1), die Einteilung des Schweregrads des ARDS erfolgt nach dem Horovitz-Quotienten (paO2/FiO2; Tab.2). Klassische Auslöser können pulmonalen (Pneumonie, Embolie, Trauma, Inhalation) oder extrapulmonalen bzw. systemischen Ursprungs sein(Sepsis, Schock, Verbrennung, toxisch, metabolisch u.v.m.). Diese Definition zeigt, dass das ARDS ein Syndrom mit unterschiedlichen pathophysiologischen Ursachen und ähnlicher phänotypischer, radiologischer und klinischer Ausprägung ist.
Tab. 1: Klinische Kriterien zur Definition eines ARDS nach Berlin-Definition
Tab. 2: Einteilung des ARDS in Schweregrade nach Berlin-Definition
ARDS bei Covid-19
Covid-19 ist eine Multisystemerkrankung, bei der es insbesondere zur Schädigung respiratorischer, endothelialer, neuronaler und humoraler Gewebe kommt. So können die Ursachen des Covid-19-bedingten ARDS (CARDS) unterschiedlich sein.
Beatmung bei ARDS
Für die Beatmung bei ARDS hat sich trotz der unterschiedlichen Genese ein einheitliches Vorgehen durchgesetzt. Bei der lungenprotektiven Beatmung (LPV) wird mittels niedriger Plateaudrücke (<30cmH2O) und geringer Druckamplituden (<16cmH2O) sowie hoher Atemfrequenz der verringerten Alveolaroberfläche Rechnung getragen.2 Dieses „baby-lung concept“ soll weitere Ventilator-induzierte Schäden (VILI) (insbesondere Baro- und Atelekttraumata) verhindern.
Aufgrund dieser Beatmungseinstellungen wird eine Hypoventilation begünstigt. Die resultierende Hyperkapnie wurde als permissiv oft bis zu einem resultierenden pH von unter 7,25 toleriert. Zuletzt war diese in Diskussion geraten, da die hyperkapnische Azidose in klinischen Studien und Tierversuchen zu erhöhter Mortalität führte.3 Die Balance zwischen drohendem VILI und Hyperkapnie ist schwer zu finden.
Weitere evidenzbasierte Therapiemöglichkeiten beim ARDS umfassen die Bauchlagerung, die erfolgreicher ist, wenn die Lunge Rekrutierungspotenzial zeigt, sowie die kurzzeitige neuromuskuläre Blockade, um LPV zu ermöglichen.
Beatmung bei CARDS
Bei nicht allzu ausgeprägter Lungenschädigung ist der Versuch einer nichtinvasiven Beatmung (NIV) in erfahrenen Zentren unter enger Observanz möglich. Bei CARDS wurde zu Beginn der Pandemie die frühe Intubation propagiert. Gründe dafür waren möglicherweise eine falsche Anwendung der NIV, fehlende Schutzkleidung und gehäufte Infektionen des Gesundheitspersonals. Retrospektiv fand sich jedoch bei Patienten mit frühzeitiger endotrachealer Intubation und invasiver Beatmung eine hohe Mortalität (ca. 80%).
Die häufig erniedrigte Lungenelastizität (Elastance) bei CARDS ist im Vergleich zu Patienten mit ARDS anderer Genese auffällig. Auch die Symptomarmut, die im Verhältnis zur Schwere des Lungenschadens steht, findet man bei CARDS häufiger („happy hypoxemic“). Daraus wurde der „lowtype“ abgeleitet,4 der oftmals mit HFNO (High-Flow-Sauerstoffgabe) oder CPAP („continuous positive airway pressure“) alleine gut therapiert wird. Bei unterstützter Spontanatmung (PSV) wurde postuliert, dass hoher Atemantrieb mit hoher pleuraler Druckamplitude zur weiteren Schädigung der Lunge führen könnte („patient self-inflicted lung injury“, P-SILI).5
Sowohl in retrospektiven Analysen wie auch in prospektiven Studien wurden mittlerweise Beatmungsformen und -einstellungen bei Covid-19 analysiert.
Fazit
Als Schlussfolgerung und Antwort auf die eingangs gestellte Frage zeigt sich, dass Beatmung unter Berücksichtigung der individuellen pathophysiologischen Veränderungen zu den besten Ergebnissen führt, wie dies auch bei der ARDS-Beatmung in Zeiten vor der Pandemie galt.6,7 Für die Beatmung bei CARDS ergibt sich daher:
-
initialer NIV-Versuch,
-
engmaschige Evaluierung und ggf. Therapieeskalation,
-
Beatmung mit den üblichen Parametern der LPV (Vt4–6ml/kg PBW; Pplat<30cm H2O; Driving pressure<16cmH2O),
-
Bauchlagerung über 16h/24h bei einem Horovitz-Quotienten <150mmHg, solange dadurch Besserung eintritt.
Dieser Artikel basiert auf:
Schindler O: Beatmung bei Covid-19, Wien Med Wochenschrift 2021; 7: 15
Literatur:
1 ARDS Definition Task Force et al.: Acute respiratorydistress syndrome: the Berlin Definition. JAMA 2012; 307(23): 2526-33 2 Amato MBP et al.: Driving pressure and survival in the acute respiratory distress syndrome N Engl J Med 2015; 372: 747-55 3 Barnes T et al.: Re-examining permissive hypercapnia in ARDS: a narrative review. Chest 2018; 154(1): 185-95 4 Marini JJ, Gattinoni L: Management of Covid-19 respiratory distress JAMA 2020; 323(22): 2329-30 5 Battaglini D et al.: Noninvasive respiratory support and patient self-inflicted lung injury in Covid-19: a narrative review. Br J Anaesth 2021; 127(3): 353-64 6 Pelosi P et al.: Personalized mechanical ventilation in acute respiratory distress syndrome. Crit Care 2021; 25(1): 250 7 Tsonas AM et al.: Ventilation management in acute respiratory failure related to Covid-19 versus ARDS from another origin – a descriptive narrative review. Expert Rev Respir Med 2021; 15(8): 1013-23
Das könnte Sie auch interessieren:
Highlights aus der Thoraxonkologie
Mit einer Rekordzahl von 34000 Teilnehmenden hat der diesjährige Jahreskongress derEuropäischen Gesellschaft für Medizinische Onkologie (ESMO) in Barcelona eine grosse Bandbreite an ...
CAP mit RSV, Influenza, Covid-19 –il buono, il brutto, il cattivo?
Das klinische Management vor allem der Viruspneumonien hat sich in den letzten Jahren substanziell geändert. Dies ist durch die kontinuierliche Evolution bei SARS-CoV-2 und Influenza und ...