Fake News der Vakzinologie
Bericht:
Dr. Norbert Hasenöhrl
Gerade in der Coronavirus-Pandemie kursieren Fake News und Verschwörungstheorien wie kaum jemals zuvor. Wie das funktioniert, welche Falschmeldungen es gibt und was man dagegen tun kann und sollte, erklärte Univ.-Prof. Dr. Karl Zwiauer in einem Vortrag.
Fake News, oder allgemeiner ausgedrückt: bewusste Falschmeldungen, gab es wohl immer schon“, so Univ.-Prof. Dr. Karl Zwiauer, Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften, Krems, zu Beginn seines Vortrags. „Die Intentionen dafür haben sich über die Jahrhunderte kaum geändert, was sich aber radikal geändert hat, sind die Verbreitungsmöglichkeiten“, fuhr der Experte fort.
Pandemie und Fake News
„Der Grund, warum gerade während der Pandemie ein solches Hoch an Fake News zu beobachten ist, liegt sicher darin, dass es eine Zeit der Unsicherheit, der Ängste und Verunsicherung ist“, sagte Zwiauer. Hatte man am Beginn der Pandemie vielleicht noch eher Vertrauen in wissenschaftliche Expertise gehabt, so setzten sich mit der Zeit eher Verschwörungstheoretiker durch und gingen eine unheilvolle Allianz mit Impfgegnern ein. Hier spielt das „Präventionsparadoxon“ eine Rolle: Gerade weil die Impfung wirkt, erscheint die Erkrankung weniger bedrohlich, als sie ist, die seltenen Impfnebenwirkungen werden hingegen hochgespielt.
Ein Charakteristikum von Fake News ist der beliebige Umgang mit Daten und Fakten, die aus dem Zusammenhang gerissen und so interpretiert werden, wie es gerade passt. Ohne medizinische Evidenz oder mit stark selektierter Evidenz wird oft unter Einbindung bestimmter Mediziner oder Politiker Missinformation verbreitet. „Fake News schaffen damit aber auf einer gewissen kommunikativen Ebene Realitäten, mit denen wir umgehen müssen“, warnte der Experte.
Wie arbeiten Fake News?
Allgemeine Charakteristika von Fake News sind das Verunsichern und Ängsteschüren, wobei stets emotionalisierend und verallgemeinernd argumentiert wird. „Nicht selten werden Fake News auch unter dem Deckmantel eines vermeintlich investigativen Journalismus und einer vermeintlichen Aufdeckung von Verschwörungen verbreitet. In Wirklichkeit wird dabei jedoch diffamiert, skandalisiert, selektiv informiert, und es werden Halbwahrheiten, wenn nicht komplette Lügen, verbreitet“, fuhr Zwiauer fort. Von bestimmten Gruppen wird Überlegenheit und Elitentum behauptet, gepaart mit angeblicher Naturverbundenheit und Natürlichkeit, wobei diese Gruppen der Naturwissenschaft zumeist fremd bis ablehnend gegenüberstehen. Sehr oft propagieren sie hingegen Pseudowissenschaften.
„Ich erinnere nur an jene vor Jahrzehnten publizierte und später zurückgezogene und als Fälschung entlarvte ,Impfstudie‘ von Wakefield, in der behauptet wurde, dass MMR-Impfungen zu Autismus führen“, so Zwiauer. „Auch wenn das inzwischen x-fach widerlegt und Wakefield als Betrüger entlarvt wurde, kursieren diese Behauptungen weiterhin und sie sind nicht auszurotten. Am Rande sei nur bemerkt, dass Wakefield, der seine Zulassung in Großbritannien verloren hatte, später in die USA ausgewandert ist und dort zeitweise Donald Trumps Berater für Impffragen war!“ Ähnliches wurde in der ebenfalls bekannt gewordenen Studie von Mawson behauptet. „Mawson war allerdings Gründer einer Gruppe von Impfgegnern und ein Befürworter und Freund von Wakefield“, bemerkte Zwiauer.
Die meisten Verbreiter von Fake News arbeiten hocheffektiv. Impfgegner haben eine signifikante Präsenz in den sozialen Medien. So enthalten etwa auf Twitter mehr als 50% aller Tweets zu Impfungen sogenannte „anti-vaccine beliefs“. Häufig werden auch Bots und sogenannte Content Polluter eingesetzt, also eine Art Software-Roboter, die gezielt und breit gestreut Fake News in den sozialen Medien verbreiten. „Dazu gibt es mittlerweile auch seriöse Untersuchungen“, so der Experte.1 „Leider posten Impfbefürworter weniger und auch nicht automatisiert.“
Es konnte gezeigt werden, dass sachlich richtige Tweets selten mehr als 1000 Menschen erreichen, während falsche Nachrichten regelmäßig mehr als 100000 Empfänger finden und auch mit einer 70% höheren Wahrscheinlichkeitweitergeschickt werden als eine wahre Nachricht.
Wirkungen und Auswirkungen
Die Auswirkungen von Fake News sind gravierend. So ist z.B. im Gefolge der Wakefield-Studie die MMR-Durchimpfungsrate in Großbritannien von 90% auf 78% gesunken.2 „Die Durchimpfungsraten, die davor, also Mitte der Neunzigerjahre, bestanden haben, sind erst vor Kurzem wieder erreicht worden“, berichtete Zwiauer. „Die Zahl der Kinder, die dadurch geschädigt wurden, dass sie die Krankheiten, gegen die sie nicht geimpft waren, bekommen haben, dürfte groß sein.“
Auch aus Schweden und Japan gibt es Beispiele: Mitte der Siebzigerjahre wurde die Pertussisimpfung von Impfgegnern massiv angegriffen, was zu extremen Abfällen der Durchimpfungsraten (von 90 auf 12% in Schweden, von 80 auf 10% in Japan) führte. In der Folge traten in beiden Ländern zehntausende Pertussisfälle auf.3
„Nicht umsonst listet die WHO die Impfskepsis unter den zehn größten Gesundheitsbedrohungen der Welt an achter Stelle“, warnte Zwiauer.
Gängige Fake News
„Covid-19-Impfung macht infertil“
Dies wurde wegen einer angeblichen Homologie von Antikörpern gegen das S-Protein von SARS-CoV-2 mit Syncytin behauptet. Faktum ist: Es handelt sich um eine zufällige Gleichheit von lediglich fünf Aminosäuren. Die Ähnlichkeit anderer Proteine mit dem genannten Antikörper ist wesentlich höher und zeigt trotzdem keinerlei Auswirkungen.
„mRNA-Impfung führt zu Genveränderungen, wird genutzt, um Menschen genetisch zu manipulieren“
Dies ist falsch, weil die verimpfte mRNA gar nicht in den Zellkern gelangt, sondern im Zytoplasma verbleibt. Eine reverse Transkription ist nicht möglich, weil weder der Mensch noch SARS-CoV-2 über eine reverse Transkriptase verfügen. Deshalb kann kein Einbau in das menschliche Genom und keine Interaktion mit demselben erfolgen.
„Covid-19-Impfung ist schlimmer als die Erkrankung selbst“
Dies ist natürlich auch falsch. So liegt z.B. die Inzidenz thromboembolischer Erkrankungen bei nicht auf der ICU behandelten Covid-19-Patienten bei 15,1%, bei ICU-Patienten sogar bei 28%, während sie nach Impfung bei 3–4/100000 Impfdosen, also bei maximal 0,004%, liegt.4
„Das sind nur drei Beispiele von zahllosen, teilweise noch viel absurderen Fake News, die zu Covid-19-Impfungen im Internet kursieren“, fuhr Zwiauer fort.
Wie damit umgehen?
„Wir müssen als Ärzte und Wissenschaftler objektivierbares und seriöses Wissen verbreiten und transparent die Vorteile, aber natürlich auch die tatsächlichen Risiken von Impfungen kommunizieren“, forderte Zwiauer. „Wir müssen die Impfaufklärung ernstnehmen, verunsicherte, fragende und skeptische Menschen beraten und nach bestem Wissen und Gewissen informieren. Sinnvoll ist es sicher auch, die Praktiken von Impfgegnern aufzuzeigen, rationale Argumente zu liefern und damit Menschen vor Irrtümern und Irrglauben zu schützen. Letztlich dürfen wir alle uns nicht in den Elfenbeinturm zurückziehen, sondern wir müssen Flagge zeigen und Stellung beziehen, wir müssen Fake News entgegentreten und sollten dieser Auseinandersetzung nicht aus dem Weg gehen. Moderne und auch soziale Medien sollten für die Weitergabe von Wissen und Information genützt werden“, so der Experte abschließend.
Quelle:
„Fake News der Vakzinologie“, Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Karl Zwiauer, Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften, Krems, im Rahmen des Giftigen Live-Streams „Impfungen – Reaktogenität und Nebenwirkungen“ am 12. April 2021
Literatur:
1 Broniatowski DA et al.: Weaponized health communication: Twitter bots and Russian trolls amplify the vaccine debate. Am J Public Health 2018; 108(10): 1378-84 2 Smith A et al.: Tracking mothers’ attitudes to MMR immunisation 1996-2006. Vaccine 2007; 25(20): 3996-4002 3 Gangarosa EJ et al.: Impact of anti-vaccine movements on pertussis control: theuntold story. Lancet 1998; 351(9099): 356-61 4 García-OrtegaA et al.: Coagulation disorders and thromboembolic diseasein Covid-19: review of current evidence in search of a better approach. J Thorac Dis 2021; 13(2): 1239-55
Das könnte Sie auch interessieren:
Fortschritte & Herausforderungen in der HIV-Betreuung in Österreich
Anlässlich des Welttages der sexuellen Gesundheit am 4.9. wurde das HIV-Perspektivenpapier präsentiert, das von Gilead Sciences in Kooperation mit den AidsHilfen Österreich und dem ...
Parenterale Antibiotikatherapie: Es muss nicht immer das Krankenhaus sein
Parenterale antiinfektive Therapien können in vielen Fällen auch ambulant durchgeführt werden. Dies betrifft in der Mehrzahl der Fälle Antibiotikatherapien, ist jedoch auch bei der ...
Blutsaugende Arthropoden als Vektoren
Mehrere Arten der Stechmücken-Gattung Aedes können zunehmend in Mitteleuropa Fuß fassen. Sie sind potenzielle Vektoren für eine Vielzahl von Krankheitserregern, wobei West-Nil-Virus, ...