Covid-19: orale Therapieoptionen
Bericht:
Dr. Norbert Hasenöhrl
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Inzwischen ist es möglich, ambulante Patienten früh im Verlaufeiner SARS-CoV-2-Infektion oral zu behandeln. Derzeit stehen dafür zwei Medikamente zur Verfügung, Molnupiravir und Nirmatrelvir/Ritonavir. Sowohl die Datenlage als auch die ersten klinischen Erfahrungen sind positiv, wie bei einem Symposium am ÖIK zu erfahren war.
Es gibt im Lebenszyklus von SARS-CoV-2 eine Reihe von Möglichkeiten, medikamentös einzugreifen“, erklärte Univ.-Prof. Dr. Günter Weiss, MedUni Innsbruck. Dazu gehören das Anheften des Virus an die Zellen, Eintritt und Fusion, Proteolyse, Replikation der viralen RNA, Transkription und Translation struktureller und akzessorischer Proteine, die Zusammensetzung und das „Packaging“ des Virus sowie seine Exozytose aus der befallenen Zelle.
Klar ist, dass jede antivirale Therapie relativ früh im Verlauf einer Covid-19-Erkrankung einsetzen muss, wenn die Viruslast noch hoch ist.
Neue orale Medikamente
Molnupiravir
Molnupiravir ist ein Prodrug, das nach oraler Einnahme rasch resorbiert und intrazellulär in seine aktive Form, NHC-Triphosphat, umgewandelt wird. Sein Wirkprinzip besteht darin, von RNA-Polymerasen in das virale Genom eingebaut zu werden, was zu fatalen Replikationsfehlern („viral error catastrophe“) und somit zu einem Stopp der Virusreplikation führt. Molnupiravir ist, jedenfalls in vitro, auch gegen andere Viren aktiv, wie etwa Noroviren, Influenza A und B, RSV, Ebola und andere.
Molnupiravir ist in Hartkapseln verfügbar, wobei fünf Tage lang zweimal täglich je vier Kapseln eingenommen werden müssen. Eine Dosisanpassung bei Leber- oder Niereninsuffizienz ist nicht erforderlich. Das Medikament ist ab 18 Jahren zugelassen und zeigt keine wesentlichen Medikamenteninteraktionen. Indiziert ist es für die Behandlung leichter bis mittelschwerer Covid-19-Erkrankungen bei Erwachsenen mit einem positiven Test auf SARS-CoV-2 und zumindest einem Risikofaktor für die Entwicklung eines schweren Krankheitsverlaufs.
Zu den häufigen Nebenwirkungen gehören Schwindelgefühl, Kopfschmerzen, Diarrhö und Übelkeit. Frauen im gebärfähigen Alter sollten bis vier Tage nach der Einnahme verhüten, Männer bis zu drei Monate lang keine Kinder zeugen. Studien mit schwangeren oder stillenden Frauen fehlen. „Im Tierversuch war etwa das Dreifache der humanen Dosis teratogen“, ergänzte Weiss. „Das Medikament wurde im November 2021 für den Notfallgebrauch freigegeben, was eine erhöhte Aufklärungspflicht nach sich zieht“, stellte der Infektiologe fest.
Basis für diese Zulassung war eine Studie mit 1433 ungeimpften Patienten mit dem primären Endpunkt Hospitalisierung oder Tod am Tag 29. Dieser Endpunkt trat, wenn man alle randomisierten Teilnehmer berücksichtigte, bei 6,8% in der Verumgruppe vs. 9,7% in der Placebogruppe auf, woraus sich eine „number needed to treat“ (NNT) von ca. 35 ergibt. In der Placebogruppe traten neun Todesfälle auf, in der Molnupiravir-Gruppe einer.1
Nirmatrelvir/Ritonavir
Nirmatrelvir ist ein oral applizierter Proteasehemmer, der aus pharmakokinetischen Gründen mit Ritonavir kombiniert wird. Ritonavir hemmt das Enzym CYP3A4 in der Leber, das Proteaseinhibitoren abbaut; somit bleibt Nirmatrelvir länger in der Zirkulation. Das Medikament ist in der EU bereits zugelassen und unterliegt einem Rolling-Review-Verfahren durch die EMA.
Der Wirkmechanismus besteht in der Hemmung des proteolytischen Teilungsprozesses eines viralen Strukturproteins, aus dem normalerweise 16 nichtstrukturelle Proteine des SARS-CoV-2 hervorgehen, die für die Virusreplikation benötigt werden. Dieser Prozess kann in Anwesenheit von Nirmatrelvir nicht stattfinden.
Eingenommen werden zwei Tabletten Nirmatrelvir und eine Tablette Ritonavir alle zwölf Stunden für fünf Tage. Wenn die GFR zwischen 30 und 60ml/min liegt, soll die Nirmatrelvir-Dosis auf jeweils eine Tablette reduziert werden. Wichtig ist es, potenzielle Wechselwirkungen mit – den relativ vielen – Medikamenten zu beachten, die über CYP3A4 abgebaut werden. Eine schwere Leberinsuffizienz ist eine Kontraindikation.
Zu den Nebenwirkungen zählen Hypertonie, Myalgien und Diarrhö. „Schwangerschaft ist keine Kontraindikation, wobei in einem solchen Fall das Medikament dann verabreicht werden kann, wenn ein entsprechendes Risiko besteht und monoklonale Antikörper kontraindiziert sind“, kommentierte Weiss.
Eine Studie mit 2246 ungeimpften Patienten mit erhöhtem Hospitalisierungsrisiko verglich Nirmatrelvir/Ritonavir mit Placebo. Der primäre Endpunkt waren Tod bzw. Hospitalisierung zu Tag 28. Dieser Endpunkt trat unter dem Medikament bei acht Patienten, unter Placebo bei 66 Patienten auf (p<0,001; NNT 18). In der Placebogruppe traten zwölf Todesfälle auf, unter Nirmatrelvir/Ritonavir keiner. Dysgeusie und Diarrhö waren unter Nirmatrelvir/Ritonavir häufiger als unter Placebo.2
„Ob das Medikament innerhalb von drei Tagen oder später verabreicht wurde, machte keinen großen Unterschied“, fuhr Weiss fort. Allerdings profitierten die Patienten ab 65 Jahren sehr viel stärker, ebenso jene mit negativem Antikörperstatus. Und je höher der BMI war, desto größer der Nutzen. „Wichtig für die klinische Anwendung ist zu wissen, dass die bisherigen Studien ausschließlich bei Nichtgeimpften durchgeführt wurden und bisher keine Daten dazu vorliegen, inwieweit auch ein Benefit bei Geimpften erzielt werden kann. Analysen bei Studienteilnehmern mit einem positiven Antikörperstatus zeigten jedoch nur mehr einen marginalen oder gar keinen Effekt der Therapieim Sinne einer positiven Beeinflussung der Studienendpunkte. Darüber hinaus haben sich die epidemiologische Situation und das Risiko für Tod und Hospitalisierung durch die Dominanz der Omikron-Variante massiv geändert, was in die Überlegungen zum optimierten Einsatz dieser Medikamente einbezogen werden sollte“, so Weiss abschließend.
Klinische Erfahrungen
„Eigentlich können wir ja im Krankenhaus wenig Erfahrungen mit Medikamenten machen, die strikt für ambulante Patienten gedacht sind“, sagte Mag. Dr. Mario Karolyi, Klinik Favoriten. „Aber es gibt Ausnahmen, bei denen wir eine solche Therapie im Krankenhaus zumindest schon beginnen können, z.B. dann, wenn ein Patient aus einem ganz anderen Grund im Spital war und vor der Entlassung positiv auf SARS-CoV-2 getestet wird.“
Beide Präparate, Molnupiravir sowie Nirmatrelvir/Ritonavir, wirken gegen alle Varianten von SARS-CoV-2 ungefähr gleich (Abb. 1). „Praktisch gesehen, ist Molnupiravir ein No-Brainer“, so Karolyi. „Ich muss mir nur die Zahl fünf merken: Medikament innerhalb der ersten fünf Tage geben, fünf Tage lang und für Frauen im gebärfähigen Alter fünf Tage Kontrazeption.“
Abb. 1: Wirksamkeit oraler Präparate auf die Viruslast (modifiziert nach Ohashi H et al.: bioRxiv 2022; doi: 10.1101/2022.02.27.482147)
Was die Studienlage angeht, so existieren verschiedene – noch nicht „peer-reviewed“ publizierte – Arbeiten, die im Wesentlichen die Ergebnisse der oben vorgestellten Studie zu Molnupiravir bestätigen. „Was Nirmatrelvir/Ritonavir angeht, so muss man sicherstellen, dass der Patient die Einnahme richtig versteht, denn im Normalfall muss er ja zweimal täglich drei Tabletten nehmen, in der Nierendosis zwei. Und man muss sich bei diesem Medikament unbedingt Zeit nehmen, die möglichen Wechselwirkungen mit der sonstigen Medikation zu überprüfen“, betonte Karolyi. „Was von Patienten unter Nirmatrelvir/Ritonavir häufig berichtet wird, ist ein metallischer Geschmack im Mund“, fuhr der Infektiologe fort. „Auch Diarrhö kommt vor.“ Für beide Medikamente gibt es auch laufende Studien zum Einsatz als Postexpositionsprophylaxe.
Die Situation in Wien
„In Wien gibt es ein gut funktionierendes System für die ambulante Verabreichung der beiden oralen Therapieoptionen für Covid-19“, so Karolyi. Die Abwicklung läuft über die Magistratsabteilung 15, die entweder Patienten mit positiven Tests direkt kontaktiert oder von den betreuenden Ärzten eingemeldete Patienten nach telemedizinischer Abklärung versorgt.
Molnupiravir und Nirmatrelvir/Ritonavir werden über einen Lieferdienst nach Hause zugestellt. Zwischen Ende Jänner und 16. März hatten 2339 Patienten Molnupiravir nach Hause erhalten. „Von diesen Patienten mussten im Nachhinein nur sehr wenige stationär aufgenommen werden. Die oralen Medikamente werden in der Regel per Fahrradboten verschickt, das funktioniert sogar am Sonntag“, so Karolyi.
Natürlich könne man ambulante Patienten in dieser Situation auch mit Remdesivir behandeln. „Das hat den Vorteil, dass mit diesem Medikament schon enorm viele Erfahrungen gemacht wurden, der Nachteil ist natürlich die Notwendigkeit der intravenösen Verabreichung“, so Karolyi abschließend.
Pharmakologie der oralen Covid-Medikamente
„Grundsätzlich sind vor allem zwei Mechanismen von Medikamenten-Wechselwirkungen oder ,drug-drug interactions‘, kurz DDI, von Bedeutung, nämlich einerseits pharmakokinetische und andererseits pharmakodynamische“, so Dr. Ulrike Porsche, Leiterin der Klinischen Pharmazie & Arzneimittelinformation, Landesapotheke Salzburg. Beide sind jeweils für ca. ein Drittel der DDI verantwortlich. Pharmakokinetische DDI entstehen durch Veränderungen der Konzentration eines Medikaments, etwa durch Induktion oder Hemmung von Leberenzymen. Pharmakodynamische DDI entstehen durch Synergismen oder Antagonismen am Wirkort, z.B. durch Verstärkung einer gerinnungshemmenden Wirkung durch einen zweiten Wirkmechanismus einer anderen Substanz.
Zu Molnupiravir sind bisher keine Hinweise auf DDI bekannt geworden. Es wurden aber auch keine klinischen Interaktionsstudien mit diesem Medikament durchgeführt.
Zu Nirmatrelvir/Ritonavir gibt es hingegen lange Listen von DDI, die in erster Linie auf das hohe Interaktionspotenzial von Ritonavir zurückzuführen sind. Dieses hemmt das Cytochrom-P450-Enzym CYP3A4, was zu einer Reihe von Interaktionen führt. Unter anderem können folgende Substanzen die Konzentration von Nirmatrelvir reduzieren: Johanniskraut, Carbamazepin, Phenytoin, Phenobarbital und Rifampicin. Zusätzlich gibt es eine lange Liste von Substanzen, deren Konzentration durch gleichzeitige Gabe von Nirmatrelvir/Ritonavir erhöht werden kann, wie z.B. Statine, Antipsychotika, bestimmte Analgetika, PDE-5-Hemmer und viele andere. Das ambulante Setting stellt daher jedenfalls eine Herausforderung dar – Aufklärung der Patienten und eine strukturierte Nachbeobachtung sind erforderlich.
Darüber hinaus ist ein weiteres orales Covid-19-Therapeutikum in Testung, ein Proteasehemmer, der zurzeit nur als S-217622 bekannt ist und in Japan entwickelt wird. „Über das DDI-Potenzial dieses Medikaments sind noch keine Informationen verfügbar“, so Porsche abschließend.
Quelle:
„COVID-19: die ersten vielversprechenden oralen Therapieoptionen“, Symposium 5 des ÖIK am 24. März 2022, Saalfelden
Literatur:
1 Jayk Bernal A et al.: Molnupiravir for oral treatment of Covid-19 in nonhospitalized patients. N Engl J Med 2022; 386(6): 509-20 2 Hammond J et al.: Oral Nirmatrelvir for high-risk, nonhospitalized adults with Covid-19. N Engl J Med 2022; 386(15): 1397-408
bei den Vortragenden
Weitere Literatur:
bei den Vortragenden
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