Covid-Impfungen: Wie geht es weiter?
Bericht:
Dr. Norbert Hasenöhrl
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Die Covid-19-Pandemie mag im Abklingen sein, aber SARS-CoV-2 ist natürlich nicht verschwunden. Allerdings hatte heute nahezu jede Person in Österreich auf irgendeine Art schon Kontakt mit dem Virus. Insofern nähert sich die Zielsetzung der Covid-Impfung jener der Influenza-Impfung an. Geimpft werden sollte derzeit mit einem XBB-Impfstoff.
Wir haben weltweit knapp sieben Millionen direkt durch Covid-19 bedingte Todesfälle und nochmals etwa doppelt so viele, die im Zusammenhang mit der Erkrankung stehen, zu beklagen“, so Univ.-Prof. Dr. Herwig Kollaritsch, bekannter Impfexperte und Mitglied des Nationalen Impfgremiums. „Und es ist zwar richtig, dass sich das pandemische Geschehen jetzt in ein epidemisch-endemisches umwandelt, aber damit ist die Sache ja längst noch nicht vorbei.“
Mehr Mutationen als gedacht
„Wir haben anfangs geglaubt, dass SARS-CoV-2 nicht besonders mutationsfreudig ist, aber das Virus hat uns eines besseren belehrt, sodass wir mittlerweile einen ziemlich umfangreichen Stammbaum haben, der – wenigstens derzeit – als neuesten Ast die Omikron-Familie hervorgebracht hat“, fuhr der Experte fort.
Erfreulich ist, dass sich das Infektionsgeschehen derzeit innerhalb der Omikron-Familie abspielt, neue Varianten sind in letzter Zeit nicht entstanden. Laut Abwassermonitoring dominieren in Österreich zurzeit eine Reihe von XBB-Varianten, ein kleiner Teil wird auch durch andere Omikron-Varianten wie BA.2.86 verursacht.
Bei XBB handelt es sich um ein rekombinantes Virus, das aus zwei verschiedenen BA.2-Sublinien entstanden ist. Es ist hoch-immunevasiv, und die XBB-Subtypen sind untereinander eng verwandt, aber relativ weit von den BA-Varianten entfernt. Die sogenannte Eris-Variante oder EG.5.1 unterscheidet sich von XBB.1.5 nur durch zwei Schlüsselmutationen, was zu einer erhöhten Infektiosität und zu einer Wirksamkeitseinbuße neutralisierender Antikörper, die durch Infektionen mit BA.5 oder XBB erworben wurden, führt. „Impfstoffe gegen XBB.1.5 sollten trotzdem nur geringfügige Wirksamkeitseinbußen gegen schwere Eris-Verläufe aufweisen“, beruhigte Kollaritsch. BA.2.86 (Pirola) unterscheidet sich deutlich stärker von XBB, durch über 30 Mutationen. Bisher gibt es jedoch keine Anhaltspunkte für eine höhere Pathogenität gegenüber XBB.
Was muss ein Impfstoff können?
Inzwischen hat in Österreich nahezu die gesamte Population bereits mit SARS-CoV-2 Kontakt gehabt, ist daher (teil)immun und deshalb hinsichtlich schwerer Verläufe und Tod weniger gefährdet als am Anfang der Pandemie. Diese Immunität nimmt nur langsam und altersabhängig ab. Darüber hinaus reduzieren die nun vorhandenen therapeutischen Optionen schwere Verläufe und verhindern Todesfälle. Wegen der Immunevasivität der neuen Varianten ist hingegen die Impfwirkung gegen symptomatische Infektionen deutlich schlechter geworden.
„Bezüglich der zukünftigen Erwartungen, die wir an die Covid-Impfungen haben, beginnen wir uns etwa der Influenza anzunähern“, so Kollaritsch. Es gehe also um die Verhinderung von Hospitalisierungen und Todesfällen sowie darum, eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden. Für den Einzelnen steht natürlich die Reduktion der Krankheitslast im Vordergrund, was besonders ältere Menschen und vulnerable Gruppen, wie z.B. Immunsupprimierte, betrifft.
Der Impfschutz soll zumindest über das Herbst/Winter-Halbjahr anhalten, und es wird notwendig sein, die Impfung an neue Varianten anzupassen. „Das alles bedeutet, dass wohl eine Impfung pro Jahr ausreichen wird“, fasste der Experte zusammen.
Im Mai 2023 wurde daher von der WHO empfohlen, eine auf XBB.1 beruhende monovalente Impfung für den Herbst zu erzeugen. „Diese Impfung ist zwar primär zur Auffrischung gedacht, kann aber auch für eine Grundimmunisierung verwendet werden“, ergänzte Kollaritsch. Alle Hersteller von Impfungen gegen SARS-CoV-2 wurden daher angehalten, die Antigenzusammensetzung ihrer Vakzinen an XBB anzupassen, unabhängig von der verwendeten Plattform. Diese Empfehlung soll vom zuständigen WHO-Gremium zweimal jährlich überprüft werden.
„Allerdings haben mRNA-Impfstoffe hier einen klaren Vorteil, weil das Herstellungsverfahren einfach ist und eine hohe Flexibilität bietet. Proteinimpfstoffe sind in der Herstellung deutlich komplexer und benötigen ab Festlegung des Antigens eine Vorlaufzeit von sechs Monaten“, so der Impfexperte.
Die einzelnen Impfstoffe
Für den mRNA-Impfstoff von Pfizer hat sich gezeigt, dass eine monovalente Vakzine gegen XBB.1.5 bessere Antikörperantworten erzeugt hat als eine bivalente gegen BA.4/5 und XBB.1.5. Der XBB.1.5-Impfstoff führt auch zu einer ausgezeichneten Antikörperantwort gegen EG.5.1 und BA.2.86. Ganz ähnliche Ergebnisse gibt es für den mRNA-Impfstoff von Moderna. „Hier zeigten sich in einer klinischen Studie nach fünf Vorimpfungen durch einen monovalenten Impfstoff die besseren Antikörperergebnisse“, betonte Kollaritsch.
Nuvaxovid ist ein Proteinimpfstoff, der als Antigen ein rekombinantes Spike-Protein enthält. „Der Impfstoff ist sehr stabil und induziert eine ausgezeichnete humorale und zelluläre Immunantwort“, so der Fachmann. „An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass ein Plattformwechsel kein Problem ist. Man kann also durchaus zuerst mit einem mRNA-Impfstoff geimpft sein und dann auf einen Proteinimpfstoff umsteigen oder auch umgekehrt. Das kann sogar gewisse Vorteile bringen, weil die jeweiligen Immunantworten nicht ganz identisch sind.“ Und auch für Nuvaxovid liegen Daten (von Rhesusaffen) vor, die eine sehr gute Immunantwort auf den an XBB.1.5 angepassten Impfstoff zeigen. Dieser Impfstoff wurde in der EU am 31. Oktober 2023 zugelassen. Die Auslieferung soll (per Ende November 2023) unmittelbar bevorstehen.
Impfempfehlung für den Herbst
Aufgrund des Gesagten ergibt sich die Empfehlung des Nationalen Impfgremiums, die Impfung im Herbst als Einzelimpfung zu verabreichen, da es sich eben aufgrund der immunologischen Lage der Bevölkerung funktionell um eine Auffrischung handelt. „Bei immunologisch naiven Personen kann aber auch weiterhin eine komplette Grundimmunisierung mit drei Teilimpfungen gegeben werden“, so Kollaritsch. Der Abstand zum letzten immunologischen Ereignis – Impfung oder Infektion – sollte bei immunkompetenten Personen mindestens sechs, besser zwölf Monate betragen, bei Immunsupprimierten mindestens vier Monate. „Längere Zeitabstände führen zu besseren Boostereffekten, das ist bei allen Impfungen so“, ergänzte Kollaritsch. Und noch eine Ergänzung: „Eine Infektion wird dann als Booster gewertet, wenn sie nicht innerhalb der ersten vier Wochen nach der letzten Impfung eingetreten ist.“
Eine Impfung während oder nach einer (noch) nicht bekannten Infektion mit SARS-CoV-2 ist unproblematisch. Eine Antikörperbestimmung nach Covid-19-Impfung ist weder erforderlich noch empfohlen, außer bei Immunsupprimierten. Eine gleichzeitige (kontralaterale) Verabreichung von Impfstoffen gegen Influenza oder RSV ist möglich. Covid-Impfungen sind für alle Personen ab dem vollendeten sechsten Lebensmonat in Österreich kostenfrei. Es sollen nur XBB.1.5-adaptierte Impfstoffe verwendet werden.
Diskussionspunkte
Nach dem Vortrag wurden einige wesentliche Fragen diskutiert:
Gleichzeitige Gabe von Covid-Impfung und z.B. Influenza-Impfung?
Im Prinzip kein Problem, weil auch mRNA-Impfungen als Totimpfungen zu werten sind. Die einzige Schwierigkeit, die sich ergeben kann, besteht darin, dass man Nebenwirkungen bzw. Impfreaktionen nicht mehr einer bestimmten Impfung zuordnen kann.
Mehrfache mRNA-Impfung und T-Zell-Immunität?
Die Datenlage zu dieser Frage ist noch zu schlecht. Bisher haben wir keine Anhaltspunkte, dass das klinisch eine Rolle spielt. Aber ein Plattformwechsel kann jedenfalls nicht schaden.
mRNA-Impfung und Schwangerschaft?
Hier hat sich an der Empfehlung nichts geändert. mRNA-Impfstoffe sind während der Schwangerschaft explizit zugelassen und sollen auch verwendet werden. Auch der Proteinimpfstoff ist geeignet, hier ist allerdings die Zulassung für die Schwangerschaft noch nicht klar.
Kann und soll man Patienten impfen, die an Long Covid leiden?
Ja, sofern der Abstand zum letzten immunologischen Ereignis lang genug ist. Gerade bei Menschen, die schon an Long Covid leiden, sollte man eine weitere Infektion nach Möglichkeit verhindern. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Covid-Impfung das Long Covid verstärken oder negativ beeinflussen könnte. Wenn noch kein Long Covid vorhanden ist, so schützt die Impfung davor oder bewirkt zumindest, dass ein evtl. doch auftretendes Long Covid leichter verläuft und kürzer dauert.
Nebenwirkungsspektrum mRNA-Impfstoff vs. Proteinimpfung?
mRNA-Impfstoffe sind in der Regel reaktogener, weil sie das angeborene Immunsystem stimulieren.
Ist es egal, mit welchem SARS-CoV-2-Stamm im letzten Jahr eine Infektion erfolgte?
Ja, da es sich ja auf jeden Fall um einen Omikron-Stamm gehandelt haben muss.
Kann und soll man die Regel lockern, dass Impflinge nach Vakzinierung mindestens 15 Minuten sitzen müssen?
Nein! Es gibt eine klare Regel, dass jeder Geimpfte nach der Impfung 15 bis 30 Minuten vor Ort bleiben muss, und zwar nach jeder Art von Impfung. Es kann immer Zwischenfälle geben.
Sport nach Covid-Impfung?
Körperliche Schonung (für 3 Tage) ist insbesondere nach mRNA-Impfungen geboten, besonders auch was Leistungssport angeht. Letzterer sollte mindestens eine oder sogar mehrere Wochen pausiert werden.
Quelle:
„COVID-19: Wer braucht einen Booster oder eine Grundimmunisierung?“; Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Herwig Kollaritsch im Rahmen des Giftigen LiveStreams „Notwendige Impfungen im Herbst und deren Organisation“ am 12. Oktober 2023
Zu sehen unter www.infektiologie.co.at
Literatur:
beim Vortragenden
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