Blutsaugende Arthropoden als Vektoren
Bericht:
Reno Barth
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Mehrere Arten der Stechmücken-Gattung Aedes können zunehmend in Mitteleuropa Fuß fassen. Sie sind potenzielle Vektoren für eine Vielzahl von Krankheitserregern, wobei West-Nil-Virus, Dengue und Chikungunya die bekanntesten sind. Alles in allem spielen in Österreich jedoch nach wie vor die Zecken die größte Rolle in der Übertragung schwerer vektorabhängiger Krankheiten.
Arthropoden, also Insekten und Spinnentiere, sind relevante Vektoren einer Vielzahl von Krankheitserregern. Und sie sind häufig. Rund 17000 Arten blutsaugender Insekten sind bekannt, hinzu kommen aus der Gruppe der Spinnentiere die Zecken. Einfaches Unterscheidungsmerkmal: Insekten haben sechs Beine, Spinnentiere acht, so Univ.-Prof. Dr. Julia Walochnik, Institut für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin der Universität Wien. Mit Insekten verwechselt werden können die sechsbeinigen Zecken-Larven. Die durch Parasiten entnommenen Blutmengen sind unproblematisch und liegen bei maximal einem Milliliter, den manche Wanzen saugen. In aller Regel handelt es sich jedoch um wenige Mikroliter.
Aus medizinischer Sicht spielen in Mitteleuropa die Zecken die größte Rolle. Zunehmend treten jedoch auch Vektoren aus anderen Teilen der Welt auf, die durch Reiseaktivitäten, Waren- und Tiertransporte nach Europa gelangen. Arthropoden werden häufig mit dem Gütertransport mitverschickt und befinden sich als adulte Tiere, Larven oder Eier in importierten Gütern, so Walochnik.
Rickettsien sind in österreichischen Zecken häufiger als Borrelien
Von den in Österreich anzutreffenden Zecken-Arten ist Ixodes ricinus, der Gemeine Holzbock, für den Menschen mit Abstand die relevanteste – er macht rund 90% der am Menschen angetroffenen Zecken aus. Ixodes ricinus ist in großen Teilen Europas heimisch und breitet sich, begünstigt durch den Klimawandel, immer weiter nach Norden aus. Hauptsächlich an Tieren saugen Dermacentor reticulatusund Dermacentor marginatus, die allerdings auch Menschen befallen und Krankheitserreger übertragen können. Die fünf bis sechs Millimeter große Schildzecke Hyalomma marginatum wird immer wieder mit Vögeln nach Europa eingeschleppt, konnte bislang jedoch noch keine stabile Population entwickeln.
Ixodeshat hohe Bedeutung als Überträger zahlreicher Krankheiten – nicht nur der FSME sowie der Borrelien. Zecken sind als Krankheitsüberträger bedeutsam, weil sie mehrere Jahre leben und in ihrem Leben dreimal Blut saugen müssen. Bereits die Larven können Menschen befallen, was insofern problematisch ist, als diese meist nicht bemerkt werden, jedoch bereits Krankheitserreger wie Arboviren oder Babesien übertragen können. Die größte Rolle Übertragung von Erregern auf den Menschen dürften die Nymphen spielen, die Wirte aller Art befallen und schwerer zu bemerken sind als adulte Tiere.
Die Liste der von Zecken übertragenen Krankheitserregern ist lang. Die bekanntesten sind aus der Familie der Flaviviridae das „tick-borne encephalitis virus“ (TBEV), der Erreger der FSME, sowie aus der Familie der Bunyaviridae das Krim-Kongo-Fieber-Virus („Crimean-Congo hemorrhagic fever virus“; CCHFV). Hinzu kommen zahlreiche Bakterien, wobei Borrelia spp. und Rickettsia spp. in Österreich die wichtigsten sind (Tab.1). Die Durchseuchungsrate der heimischen Zecken mit Borrelien liegt bei rund 15%, die mit Rickettsien bei 30%.
Tab. 1: Durch Zecken übertragbare Bakterien
Im Gegensatz zu den Zecken gehören Heteroptera (Wanzen) und Phthiraptera (Tierläuse) zu den Insekten. Die Raubwanzen verfügen über einen ausklappbaren Saugrüssel mit der Dicke einer Spritzennadel. Die Tiere verhalten sich auf der Suche nach einem Wirt durchaus aggressiv, wie Walochnik ausführte, und bohren einander fallweise auch gegenseitig an. Die Wanze nimmt dabei eine so große Menge an Flüssigkeit auf, dass sie nach der Blutmahlzeit nicht mehr mobil ist und zunächst Flüssigkeit in Form eines Kottropfens abgeben muss, ehe sie in ihr Nest zurückkehren kann. Dieser Kottropfen kann Krankheitserreger wie zum Beispiel Trypanosoma cruzi (Morbus Chagas) enthalten. Blutsaugende Raubwanzen sind vor allem in Südamerika heimisch, breiten sich jedoch aufgrund der Klimaveränderungen nach Norden aus und werden mittlerweile auch in den südlichen Bundesstaaten der USA angetroffen.
Für den Menschen sind drei Arten von Läusen relevant: die Kopflaus, die Filzlaus und die Kleiderlaus, wobei die ersten beiden aus medizinischer Sicht harmlos sind, da sie keine Krankheiten übertragen. Im Gegensatz dazu überträgt die Kleiderlaus den Erreger des FleckfiebersRickettsia prowazekii. Walochnik: „Die Kleiderlaus ist in Mitteleuropa seit der Erfindung der Waschmaschine ausgestorben. Aber sie können selbstverständlich jederzeit eingeschleppt werden und sich dann gegebenenfalls auch fokal weiter ausbreiten.“ Kleiderläuse dürften auch eine Rolle bei der Übertragung der Pest gespielt haben.
Potenzielle Malariaüberträger sind seit Langem in Österreich heimisch
Die größte Gruppe unter den Insekten sind die Diptera, also Fliegen und Mücken. In Österreich sind ca. 50 blutsaugende Arten relevant, die alle zur Familie der Culicidae (Stechmücken) gehören. Die wichtigsten sind Aedes (Aedimorphus) vexans, die Wiesenmücke, Ochlerotatus sticticus, die Auwaldmücke, Culiseta annulata, die Ringelmücke, sowie Culex pipiens pipiens, die Hausmücke. Insgesamt ist die Gattung Culex mit mehreren Arten in Österreich mit Abstand die häufigste Mücke. In Mitteleuropa ist aber beispielsweise auch Anopheles plumbeus heimisch, die Malaria übertragen kann. Walochnik: „Das heißt, die Vektoren sind da und waren auch immer da. Der Grund, warum wir in Österreich keine Malaria haben, liegt darin, dass auftretende Fälle sofort behandelt werden und sich daher kein Reservoir bilden kann.“ Anopheles-Arten, die das Potenzial haben, Malaria zu übertragen, sind bis hinauf nach Skandinavien heimisch.
Eine Unterscheidung zwischen Culex undAnopheles ist anhand der Morphologie möglich. Während die Anophelinae ein gleichmäßig gerundetes Brustschildchen mit ununterbrochener Borstenreihe aufweisen, ist das Brustschildchen der Culicinae dreilappig, mit unterbrochener Borstenreihe auf jeder Seite. Sowohl die Hausmücke als auch die Anopheles-Arten sind mittelgroße Mücken (4–10mm). In Österreich kommen allerdings auch deutlich größere Arten wie zum Beispiel Culiseta annulata vor. Bei Anopheles sind die Palpen (Anhänge am Kopf, die dem Tasten, Schmecken und Riechen dienen) so lang wie der Saugrüssel, Culex und Aedes haben hingegen kurze Palpen. Anopheles ist dämmerungs- und nachtaktiv, Culex dämmerungsaktiv. Im Gegensatz dazu sind viele Arten von Aedes tagaktiv. Anopheles fällt auch durch eine gestreckte Haltung beim Saugen auf.
Stark in den Medien präsent sind Aedes albopictus und Aedes aegypti, beides eher kleine Mücken (3–8mm). Die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) ist als Überträger von Krankheitserregern wie beispielsweise dem Zika-Virus, dem Chikungunya-Virus und dem Dengue-Virus bedeutsam. Insgesamt ist die Mücke ein Vektor für mehr als 20 Krankheitserreger. Sie ist mittelgroß und hat ein Scutum (Rücken) mit einem medianen silberweißen Streifen auf schwarzem Grund. Weiße Streifen neben und hinter der weißen Mittellinie auf dem Scutum reichen nicht bis zur Mitte des Scutums. Aedes albopictus wurde 2012 erstmals in Österreich (Burgenland) gefunden und ist seit 2022 erstmals in ganz Österreich anzutreffen (Abb.1).
Abb. 1: Die Verbreitung von Aedes albopictus im Juli 2024(modifiziert nach ECDC 2024)
Die Gelbfiebermücke oder auch Ägyptische Tigermücke (Aedes aegypti) ist der hauptsächliche Überträger von Gelbfieber, Dengue-Fieber, Zika-Fieber und einigen anderen Viruserkrankungen. Die Mücke ist klein, ihr Scutum hat silberne Schuppen in Form einer Leier auf schwarzem Grund. Die Mücke fällt mit kontrastreicher schwarz-weißer Farbgebung und silbrig-weißer Zeichnung auf Beinen und Hinterleib auf. Aedes aegypti ist (noch) nicht in Mitteleuropa etabliert, wird aber wiederholt eingeschleppt. „Das wird zum Glück sehr gut beobachtet“, soWalochnik. Auch Aedes japonicus, 2011 erstmals in Österreich gesichtet, kommt mittlerweile im ganzen Land vor und zeigt Vektorkompetenz für West-Nil-Virus, Dengue und Chikungunya.
Neben den Stechmücken sind in Österreich auch zwei Arten von Sandmücken (Phlebotomus mascittii, Phlebotomus simici) anzutreffen. Beide sind vermutlich auch schon lange in Österreich heimisch, so Walochnik. Aus medizinischer Perspektive sind Sandmücken als Überträger von Leishmanien und Phleboviren problematisch. Ob die in Österreich vorkommenden Arten diesbezüglich Potenzial haben, ist derzeit noch unklar.
Quelle:
„Das kleine 1x1 der Vektorenbestimmung“, Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Julia Walochnik, Wien, am 10. April 2024 im Rahmen des ÖIK in Saalfelden
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