
Aktuelles aus der 7. Version der S3-Leitlinie: wesentliche Leitlinienänderungen
Autor:
Prim. Priv.-Doz. Dr. Thomas Höfner, FEBU
Abteilung für Urologie
Ordensklinikum Linz
E-Mail: thomas.hoefner@ordensklinikum.at
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Im Mai 2024 wurde die Prostatakarzinom-S3-Leitlinie unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU) im Rahmen des Leitlinienprogramms Onkologie in ihrer 7. Version veröffentlicht. Seither befinden sich die Leitlinien weiterhin in Überarbeitung. Im November 2024 hat in Berlin die zweitägige Konsensuskonferenz stattgefunden, um einen interdisziplinären Konsens zu finden. Die finale Version 8 der S3-Leitlinie Prostatakarzinom wird voraussichtlich im Mai 2025 publiziert werden.
Keypoints
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Eine Sequenzierung von Genen der homologen Rekombinationsreparatur (HRR) bei Patienten mit mCRPC wird empfohlen, um die Therapie zu personalisieren.
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Die aktualisierte Leitlinie empfiehlt Dreifachkombinationen aus Docetaxel, ADT und Abirateron plus Prednison bzw. Docetaxel, ADT und Darolutamid für Patienten mit De-novo-„High-volume“-mHSPC.
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Die mpMRT spielt nun eine zentralere Rolle im Rahmen der Active Surveillance.
Metastasiertes kastrationsresis-tentes Prostatakarzinom (mCRPC): personalisierte Therapie
Die Leitlinie empfiehlt eine routinemäßige Durchführung einer genetischen Untersuchung auf Mutationen in Genen der homologen Rekombinationsreparatur (HRR) bei allen Patienten mit mCRPC. Diese Untersuchung dient der Identifizierung von Patienten, die von einer Therapie mit PARP-Inhibitoren profitieren können. So wird bei Patienten mit einer BRCA1/2-Mutation eine Therapie mit Olaparib, Rucaparib oder Niraparib empfohlen. Für Patienten mit einer BRCA1/2-Mutation, die bereits mit Docetaxel vorbehandelt wurden, wird eine Therapie mit Olaparib plus Abirateron in Kombination mit Prednison oder Niraparib plus Abirateron (in Kombination mit Prednison) empfohlen. Patienten mit HRR-Defekten außer BRCA1/2-Mutation – d.h. Mutationen in ATM, BRIP1, CDK12, CHEK2, FANCA, HDAC2 oder PALB2 –, die noch keinen Androgenrezeptorsignalweg-Inhibitor (ARPI) erhalten haben, sollen im Falle, dass eine Chemotherapie klinisch nicht indiziert ist, folgende Therapieoptionen angeboten bekommen: Abirateron (in Kombination mit Prednison) plus Olaparib oder Enzalutamid plus Talazoparib. Patienten ohne Nachweis einer BRCA1/2-Mutation oder eines anderen HRR-Defekts, die noch keinen ARPI oder Abirateron erhalten haben und für die eine Chemotherapie geeignet wäre, soll die Therapie mit Docetaxel in zwei- oder dreiwöchigen Dosierungsschemata angeboten werden. Nach Chemotherapie mit Docetaxel sowie Abirateron oder ARPI soll eine Therapie mit Cabazitaxel oder Lutetium-177 (177Lu) Vipivotid-Tetraxetan angeboten werden. Dies verdeutlicht den erhöhten Stellenwert der Lutetium-Therapie in der Therapiesequenz des mCRPC. Die Therapiesequenz sollte individuell unter Berücksichtigung von Faktoren wie Alter, Komorbiditäten und dem individuellen Ansprechen auf die früheren Therapien an die Patienten angepasst werden. Die Leitlinie empfiehlt, die Therapieentscheidungen in einem interdisziplinären Tumorboard zu treffen.
Definition des kastrationsresistenten Prostatakarzinoms (CRPC)
Ein CRPC liegt nach Definition vor, wenn der Serumtestosteronspiegel ≤50ng/ dl beträgt und mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllt ist:
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Biochemischer Progress: definiert als drei konsekutive Anstiege des PSA-Wertes im mindestens wöchentlichen Abstand, wobei der Anstieg des PSA-Wertes mindestens 50% vom Nadir (dem tiefsten Wert) betragen und der PSA-Wert >2ng/ml sein muss
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Radiologischer Progress: definiert als das Auftreten neuer Metastasen in der Bildgebung. Dies wird konkretisiert als mindestens 2 neue Knochenmetastasen im Knochenszintigramm oder Weichteilläsionen nach RECIST-Kriterien.
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Klinischer Progress: definiert durch das Auftreten neuer oder die Zunahme bestehender Symptome, die eindeutig auf das Prostatakarzinom zurückzuführen sind und nicht durch andere Ursachen erklärt werden können
Ein wichtiger Aspekt der Definition eines CRPC ist, dass die Symptomatik allein nicht ausreicht, um einen Progress unter ADT zu definieren. Es muss zusätzlich ein biochemischer oder radiologischer Progress vorliegen. Messbare viszerale Metastasen sollen nach den RECIST-Kriterien (Response Evaluation Criteria in Solid Tumours) beurteilt werden und nicht messbare Läsionen sollen als vorhanden, abwesend oder unsicher eingestuft werden.
Optimierte Active Surveillance (AS)
Die AS ist eine Therapieoption für Patienten mit einem lokal begrenzten Prostatakarzinom mit niedrigem Risiko. Die multiparametrische Magnetresonanztomografie (mpMRT) spielt nun eine zentrale Rolle in der AS und wird sowohl bei der Erstuntersuchung als auch im Verlauf eingesetzt, um das Risiko für eine Progression besser einschätzen zu können. Die erste Rebiopsie in einer AS soll bei Patienten mit initialer mpMRT nach 12–18 Monaten erfolgen. Patienten, die ohne initiale mpMRT in eine AS eingeschlossen wurden, erhalten innerhalb von 6 Monaten eine zusätzliche mpMRT mit gezielter und systematischer Biopsie. Weitere Biopsien orientieren sich an den Ergebnissen der mpMRT und den PSA-Werten und werden längstens alle 3 Jahre innerhalb der ersten 10 Jahre der AS durchgeführt. Bei signifikantem PSA-Anstieg (Verdopplungszeit unter 3 Jahren) sollte eine erneute mpMRT mit gezielter und systematischer Rebiopsie veranlasst werden. Die AS kann beendet werden, wenn folgendes Kriterium erfüllt ist: Upgrading zu ISUP-Gruppe 2 mit ungünstigem Risikoprofil. Dabei werden das Vorhandensein von kribriformem oder intraduktalem Wachstum, ein Anteil ≥10% des Gleason-Musters 4, ein Upgrading der ISUP-Gruppe ≥3, ein lokal fortgeschrittenes Tumorstadium (≥cT3 und/oder cN+) oder ein bestehender Patientenwunsch als ungünstig definiert. Es ist entscheidend, dass eine alleinige Progression des PSA-Werts und/oder einer mpMRT-Läsion nicht zum Abbruch der AS führen sollte. Außerdem wird die aktive Überwachung nun auch für Patienten mit einem lokal begrenzten Prostatakarzinom der ISUP-Gruppe 2 mit einem günstigen Risikoprofil empfohlen. Das günstige Risikoprofil beinhaltet dabei wie o.a. kein kribriformes und/oder intraduktales Wachstum und einen Anteil <10% an Gleason-Muster 4. Wenn der Patient trotz ausführlicher Aufklärung und Beratung weiterhin starke Ängste vor einem Tumorprogress hat, kann dies ebenfalls ein Grund für einen Abbruch der AS sein. Sollten beim Patienten neue Komorbiditäten auftreten, die die Lebenserwartung deutlich einschränken, muss ggf. ein Wechsel von der AS zu einem „watchful waiting“ erwogen werden.
Metastasiertes hormonsensitives Prostatakarzinom (mHSPC): Therapieempfehlungen
Die aktualisierte Leitlinie enthält die neue Einteilung der Patienten mit mHSPC nach den High-Volume- und Low-Volume- sowie High-Risk- und Low-Risk-Kriterien. Es wird nun zwischen de novo metastastiertem und metachron metastasiertem mHSPC unterschieden. Bei „High-volume“ de novo metastasiertem mHSPC empfiehlt die Leitlinie nun Dreifachkombinationsbehandlungen aus Docetaxel, ADT und Abirateron plus Prednison oder eine Kombinationsbehandlung aus Docetaxel, ADT und Darolutamid. Die Durchführung eines geriatrischen Assessments bei Patienten ≥70 Jahre vor Einleitung einer tumorspezifischen Therapie des mHSPC wird empfohlen.
Aktualisierte Empfehlungen zur Androgendeprivationstherapie
Es wird empfohlen, Patienten innerhalb von 3 Monaten nach Beginn der ADT erneut über die Therapieoptionen aufzuklären. Patienten mit einem PSA-Wert <4ng/ml nach 7 Monaten ADT kann nach ausführlicher Aufklärung alternativ eine intermittierende ADT angeboten werden. Ein PSA-Anstieg auf ≥2ng/ml unter ADT ist Anlass für eine erneute Bildgebung und die Überprüfung der Therapietreue. Ist diese gegeben, muss der Patient im Hinblick auf o.g. CRPC-Kriterien überprüft werden und im Falle einer biochemischen oder radiologischen Progression sollte ihm eine weiterführende systemische Therapie angeboten werden.
Aktualisierung zum Radium-223 & Lutetium-PSMA
Radium-223 kann Patienten mit mCRPC und symptomatischen ossären Metastasen (ohne bekannte viszerale Metastasen) angeboten werden, die einen guten Allgemeinzustand aufweisen und mindestens zwei vorausgehende systemische Therapieoptionen in dieser Indikation erhalten haben oder für die keine anderen verfügbaren systemischen mCRPC-Therapien geeignet sind. Radium-223 soll nicht in Kombination mit Abirateron und Prednison angewandt werden. Die Kombination mit Abirateron und Prednison ist aufgrund eines erhöhten Frakturrisikos kontraindiziert. Lutetium-177 (177Lu) Vipivotid-Tetraxetan soll Patienten mit mCRPC nach Chemotherapie mit Docetaxel sowie Abirateron oder einem ARPI angeboten werden. Die Evidenz für 177Lu-PSMA stammt aus der VISION-Studie, die einen Überlebensvorteil im Vergleich zu Standardtherapien zeigte. Voraussetzung für den Einsatz von 177Lu-PSMA-617 ist eine qualitätsgesicherte PSMA-PET.
Quelle:
Deutsche Gesellschaft für Urologie e.V.: S3-Leitlinie Prostatakarzinom Version 7.0. https://register.awmf.org/de/ leitlinien/detail/043-022OL ; zuletzt aufgerufen am 19.12.2024
Literatur:
beim Verfasser
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